Artikelserie zum Welterbe der „Great Spa Towns of Europe“

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© Iris Geiger-Messner

Die Stadt Baden-Baden veröffentlicht in Kooperation mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg als oberste Denkmalschutzbehörde des Landes und dem Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart eine Artikelserie zu den „Great Spa Towns of Europe“ (Die Bedeutenden Kurstädte Europas). Hier erscheinen Artikel zu verschiedenen Themen rund um das transnationale, serielle Welterbe der „Great Spa Towns of Europe“.

1. Baden-Baden auf dem Weg zum Welterbe

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© Iris Geiger-Messner

Gemeinsamer Auftaktbeitrag von Staatssekretärin Katrin Schütz und Oberbürgermeisterin Margret Mergen

Die Stadt Baden-Baden veröffentlicht in Kooperation mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg als oberste Denkmalschutzbehörde des Landes und dem Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart eine Artikelserie zu den „Great Spa Towns of Europe“.

Im ersten Artikel laden Frau Staatssekretärin Katrin Schütz und Frau Oberbürgermeisterin Margret Mergen alle Interessierten in den kommenden Monaten bis zum Jahresende auf eine wöchentliche Reise in die Geschichte Baden-Badens, zu den anderen zehn „Great Spa Towns of Europe“ und auf den aufregenden Weg zum UNESCO-Welterbe ein.

Bewerbung als UNESCO-Welterbestätte

Was haben die ägyptischen Pyramiden von Gizeh, der Kölner Dom und das Great Barrier Reef in Australien gemeinsam? Sie alle sind UNESCO-Welterbestätten! Und was hat das mit dem Land Baden-Württemberg und der Kurstadt Baden-Baden zu tun? Eine ganze Menge: Auch das Land Baden-Württemberg verfügt über eine reiche Denkmallandschaft.

Bereits sechs Kulturerbestätten in Baden-Württemberg stehen als außergewöhnliches universelles Erbe der Menschheit auf der Welterbeliste der UNESCO. Unter dem Titel Great Spa Towns of Europe bewirbt sich nun eine Gruppe der elf bedeutendsten Kurstädte aus sieben europäischen Ländern gemeinsam um die Eintragung in die Welterbeliste der UNESCO – darunter auch die baden-württembergische Stadt Baden-Baden.

Kurstädte blicken auf ein gemeinsames kulturelles Erbe

Die beteiligten historischen Kurstädte blicken auf ein gemeinsames kulturelles Erbe, das uns gerade in Zeiten der Corona Pandemie aktueller denn je erscheint. Denn sie zeugen vom medizinischen und kulturellen Austausch über Landesgrenzen hinweg und können auf eine jahrhundertealte Tradition der Hygiene zurückblicken. Seit jeher siedelten sich Menschen in der Nähe von Mineral- und Thermalquellen an, um von ihrer heilenden Wirkung zu profitieren. Viele von Europas Quellen wurden bereits in der Antike genutzt. Überreste zeugen noch heute von den prachtvollen Thermen der Römer, so auch die Relikte der Kaiser- und Soldatenbäder in Baden-Baden.

Die Menschen versuchten unterschiedlichste Krankheiten wie Gicht, Atembeschwerden oder gar Kinderlosigkeit mit Mineral- und Thermalwasser zu heilen. Vom 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert erlebten die als Great Spa Towns of Europe nominierten Kurstädte als internationale Anziehungspunkte für Adelige, Politiker und Künstler einen Höhepunkt in ihrer Entwicklung. Sie konkurrierten mit ihrer internationalen Atmosphäre mit den Metropolen ihrer Zeit und waren für ihre medizinischen, kulturellen und gesellschaftlichen Fortschritte bekannt – eine Tradition, die sie bis heute fortführen.

Beteiligte Städte

Am Welterbeantrag sind neben Baden-Baden die Städte Bad Ems und Bad Kissingen (alle Deutschland), Baden bei Wien (Österreich), Bath (Großbritannien), Franzensbad, Karlsbad und Marienbad (alle Tschechische Republik), Montecatini Terme (Italien), Spa (Belgien) sowie Vichy (Frankreich) beteiligt. Der Gesamtantrag wurde von der Tschechischen Republik in Abstimmung mit allen beteiligten Vertragsstaaten im Januar 2019 bei der UNESCO eingereicht. Nach einer 18-monatigen Prüfungsphase sollte nun vom 29. Juni bis 9. Juli 2020 bei der 44. Sitzung des Welterbekomitees in Fuzhou in China die Entscheidung über die Eintragung der fallen.

Die Coronakrise hat weltweit erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit aller Menschen, aber auch auf das kulturelle, soziale und wirtschaftliche Leben. Diese Auswirkungen haben nun leider auch die diesjährige Sitzung des Welterbekomitees erfasst, wodurch sich die Entscheidung über den Welter-beantrag verschieben wird. Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Baden-Baden erwarten gemeinsam mit den übrigen Great Spa Towns of Europe voller Spannung die Entscheidung des Welterbekomitees.

Initiative aus der Baden-Badener Bürgerschaft

„Die Initiative, Baden-Baden für die Welterbeliste vorzuschlagen, verdanken wir den stetigen Bemühungen der Baden-Badener Bürgerschaft. Ich bin sicher, dass die Bürgerinnen und Bürger in der Zeit bis zur kommenden Sitzung des Welterbekomitees weiterhin mit Leidenschaft hinter der Bewerbung stehen,“ so Oberbürgermeisterin Margret Mergen. Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg als oberste Denkmalschutzbehörde und das Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart unterstützen die Stadt Baden-Baden seit vielen Jahren intensiv bei diesem Vorhaben.

„Wir würden uns sehr freuen, wenn die Kurstadt Baden-Baden – die Sommerhauptstadt Europas im 19. Jahrhundert und eine wahre Perle unseres Landes – ein wunderbarer Teil des Weltkulturerbes in Baden-Württemberg werden würde. Die Welterbebewerbung ist mit großartigem Engagement in Baden-Baden verbunden. Mit der Artikelserie möchten wir einen kleinen Beitrag leisten, um den Einsatz vor Ort zu würdigen“, so Staatssekretärin Katrin Schütz.

Reise in die Geschichte des Welterbes und Baden-Badens

Um die Wartezeit bis zur Entscheidung des Welterbekomitees zu verkürzen, möchten das Wirtschaftsministerium und die Stadt Baden-Baden in den kommenden Monaten alle Interessierten auf eine Reise in die Geschichte des Welterbes und der Stadt Baden-Baden, zu den anderen zehn Great Spa Towns of Europe und auf den aufregenden Weg zum UNESCO-Welterbe einladen.

Dabei werden die Welterbekonvention, die nominierten Kurstädte, das Auswahlverfahren sowie die Bedeutung des Welterbeantrags für Baden-Baden thematisiert. Jede Woche wird ein Artikel zu Themen rund um Baden-Baden als Teil der Great Spa Towns of Europe veröffentlicht.

Einblicke in die UNESCO-Welterbebewerbung

Verschiedene Autoren geben unterschiedliche Einblicke in die UNESCO-Welterbebewerbung. Warum zum Beispiel steht am Anfang der Gründungsgeschichte der Welterbekonvention die Versetzung eines ägyptischen Tempels und welche Künstler und Politiker waren im 19. Jahrhundert im exklusiven Salon der berühmten französischen Sängerin Pauline Viardot in Baden-Baden zu Gast?

Diese und viele weitere spannende Fragen werden in der Serie aus erster Hand beantwortet. Staatssekretärin Schütz und Oberbürgermeisterin Mergen wünschen allen Lesern viel Spaß und neue Erkenntnisse bei der Lektüre der Artikelserie.

2. Die Welterbekonvention der UNESCO

Doppelhaus von Le Corbusier in der Weißenhofsiedlung in Stuttgart Bild vergrößern
Thomas Wolf © FLC/ADAGP Das Doppelhaus von Le Corbusier in der Weißenhofsiedlung in Stuttgart ist ein Bestandteil der transnationalen, seriellen UNESCO-Welterbestätte „Das Architektonische Werk von Le Corbusier“ (2016).

Schutz, Pflege, Erforschung und Vermittlung des außergewöhnlichen universellen Erbes der Menschheit

In dieser Woche widmen sich Dr. Denise Beilharz (Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg) und Smriti Pant (Stadt Baden-Baden) der UNESCO-Welterbekonvention.

Der Artikel der kommenden Woche beschäftigt sich mit dem außergewöhnlichen universellen Wert der „Great Spa Towns of Europe“ sowie der länderübergreifenden Zusammenarbeit und den Herausforderungen einer transnationalen seriellen Welterbebewerbung.

Wie alles begann

Eine Initialzündung für die Entfaltung des Welterbegedankens war ein gewaltiges Infrastrukturprojekt weit entfernt von Baden-Württemberg: der Bau des ägyptischen Assuan-Staudamms in den 1960er Jahren. Das Bauwerk, das das Wasser des Nils aufstauen sollte, drohte zahlreiche wertvolle historische Kulturdenkmale des Landes in den Fluten des Nasser-Stausees versinken zu lassen.

Vor diesem Hintergrund entwickelte sich eine internationale Solidaritätsbewegung zur Rettung des bedrohten kulturellen Erbes. Unter Federführung der UNESCO, der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur, bewirkte die Solidarität die Versetzung einiger der bedeutendsten Monumente aus der über 5.000 km2 umfassenden Wasserfläche des entstehenden Stausees. Zu den geretteten Bauwerken gehören die berühmten Tempel von Abu Simbel, die im 13. Jahrhundert vor Christus unter Pharao Ramses II. errichtet worden waren. Ihre Versetzung ist bis heute eine ingenieurtechnische Meisterleistung.

Die Welterbekonvention – ein Erfolgsmodell

Das Assuan-Projekt hat der Weltöffentlichkeit eindrücklich vor Augen geführt, dass das herausragende Kultur- und Naturerbe der Menschheit im internationalen Zusammenwirken wesentlich besser geschützt werden kann. Im Jahr 1972 hat die Generalkonferenz der UNESCO das Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt – die Welterbekonvention – verabschiedet. Mit knapp 200 Staaten, die dem Abkommen inzwischen beigetreten sind, gehört sie zu den erfolgreichsten völkerrechtlichen Verträgen überhaupt.

Das Abkommen verpflichtet die Vertragsstaaten, die Welterbestätten in Bestand und Wertigkeit zu erfassen, zu schützen, zu erhalten, an die kommenden Generationen weiterzugeben und der Öffentlichkeit zu vermitteln. Die Bundesrepublik Deutschland hat das Abkommen schon im Jahr 1976 ratifiziert.

Die Welterbeliste und das außergewöhnliche universelle Erbe der Menschheit

Das bedeutendste und in der Öffentlichkeit bekannteste Instrument des Abkommens ist die UNESCO-Welterbeliste, in der inzwischen mehr als 1.100 einzigartige Kultur- und Naturerbestätten verzeichnet sind. Deutschlandweit sind aktuell 46 Welterbestätten in die UNESCO-Liste eingetragen; sechs davon liegen in Baden-Württemberg. Die Stätten repräsentieren eine große Bandbreite an Zeugnissen menschlicher Schaffenskraft und einzigartiger Naturlandschaften. Wem sind die ägyptischen Pyramiden von Gizeh, die chinesische Mauer oder der Yellowstone Nationalpark in den USA kein Begriff? Auch prächtige gemischte Kultur- und Naturerbestätten, wie das historische Heiligtum Machu Picchu in Peru gehören zu dieser repräsentativen Liste.

Alle Welterbestätten verbindet ihr außergewöhnlicher universeller Wert, ihre Integrität (Vollständigkeit) und Authentizität (historische Echtheit). Insgesamt zehn Kriterien stehen als Basis für die Festlegung des außergewöhnlichen universellen Wertes einer Stätte zur Auswahl in der Liste. Die Kriterien (i) bis (vi) beziehen sich auf Kulturerbestätten, und die Kriterien (vii) bis (x) auf Naturerbestätten. So sind die Great Spa Towns of Europe unter Kriterien (ii), (iii), (iv) und (vi) zur Aufnahme als Weltkulturerbe vorgeschlagen.

Eine Idee – viele Kategorien von Stätten

Eine Welterbestätte kann ein transnationales Gut sein, etwa der Muskauer Park, der sich auf dem Territorium von Deutschland und Polen erstreckt. Des Weiteren können zwei oder mehr Kultur- bzw. Naturerbestätten, die die gleichen Auswahlkriterien erfüllen, als eine serielle Welterbestätte nominiert werden. Die Bestandteile einer seriellen Welterbestätte können sich sowohl innerhalb eines Vertragsstaates befinden, als auch in mehreren Vertragsstaaten und müssen räumlich nicht unmittelbar nebeneinanderliegen. Zu dieser Kategorie gehören z.B. die „Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb“, die „Prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen“ und das „Architektonische Werk von Le Corbusier“, die alle zumindest in Teilen in Baden-Württemberg liegen. Die beiden letzteren – wie auch die Great Spa Towns of Europe im Falle eine Einschreibung in die Welterbeliste – sind wegen ihres grenzübergreifenden Charakters sogenannte transnationale, serielle Welterbestätten.

Voraussetzung für die Einschreibung einer Stätte in die Welterbeliste ist auch ein funktionierendes Managementsystem, das für Schutz, Pflege, Nachhaltigkeit und Vermittlung der Welterbestätte sorgt. Im Fall einer transnationalen, seriellen Stätte wie den Great Spa Towns of Europe muss das Managementsystem insbesondere auch die internationalen Koordinierungsmechanismen darlegen. Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass der außergewöhnliche universelle Wert der Stätte auf Dauer erhalten bleibt.

Die Vorbereitung des Antrags und die Zuständigkeiten

Der Antrag zur Nominierung einer Welterbestätte kann nur vom Vertragsstaat selbst – oder im Fall einer transnationalen, seriellen Nominierung vom federführenden Vertragsstaat mit Zustimmung aller beteiligten Vertragsstaaten – eingereicht werden. Für den Welterbeantrag Great Spa Towns of Europe liegt die Federführung bei der Tschechischen Republik.

Aufgrund der Kulturhoheit der Länder sind in Deutschland die Länder für die Umsetzung der Welterbekonvention zuständig. Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg koordiniert als oberste Denkmalschutzbehörde des Landes die baden-württembergischen Antragsverfahren, betreut diese gemeinsam mit dem Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart und fungiert im Land, gegenüber dem Bund und internationalen Partnern als für die Welterbestätten zuständiger Ansprechpartner.

Vor diesem Hintergrund wurden die Antragsteile für die Kurstadt Baden-Baden als einer der elf am Antragsverfahren beteiligten europäischen Städte in enger Zusammenarbeit zwischen der Stadt Baden-Baden, dem Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart und dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg ausgearbeitet. Der Gesamtantrag wurde von der Tschechischen Republik in Abstimmung mit allen beteiligten Vertragsstaaten im Januar 2019 bei der UNESCO eingereicht.

3. Der außergewöhnliche universelle Wert der „Great Spa Towns of Europe“

Karlovy Vary (Karlsbad): Blick auf das Zentrum des Kurstadt-Ensembles (mit dem Großen Sprudel an der Tepl) und die umgebende Kurlandschaft.Bild vergrößern
Foto: Volkmar Eidloth Karlovy Vary (Karlsbad): Blick auf das Zentrum des Kurstadt-Ensembles (mit dem Großen Sprudel an der Tepl) und die umgebende Kurlandschaft.

In dieser Woche widmet sich Volkmar Eidloth, Hauptkonservator im Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg, dem außergewöhnlichen universellen Wert der „Great Spa Towns of Europe“.

Transnationale Zusammenarbeit

Die transnationale serielle Nominierung der „Great Spa Towns of Europe“ hat ein enges Band aus fachlicher Kooperation und menschlichen Kontakten zwischen den teilnehmenden Ländern geknüpft. Gestützt auf eine komplexe Projektarchitektur, die in zahlreichen Arbeits- und Steuerungsgruppen Ziele, Strategien und Methoden definierte, wurde in den vergangenen Jahren ein noch nie dagewesenes transeuropäisches Projekt von elf Städten in sieben europäischen Ländern erarbeitet.

Durch eine gemeinsame Vision, grenzüberschreitende Kooperation und die Idee eines von allen getragenen kulturellen Erbes geriet das Projekt zu einer bereichernden Reise für alle Beteiligten. Ein besonderes Anliegen ist es Ihnen, dass die „Great Spa Towns of Europe“ auch in Zukunft verbinden werden, denn geteiltes Erbe bedeutet auch geteilte Verantwortung.

Die „Great Spa Towns of Europe“ – Elf Städte ein Welterbe

Im Artikel der letzten Woche wurde das Bewerbungsverfahren für die UNESCO-Welterbeliste allgemein beschrieben sowie die Bedeutung des außergewöhnlichen universellen Wertes als Voraussetzung für die Einschreibung.

Um das Phänomen der europäischen Kurtradition in seiner Komplexität zu erfassen, lag eine serielle Bewerbung für die Welterbeliste nahe. Nur so konnte ihre historische geographische Größenordnung und Verbreitung sowie die Vielfalt ihrer materiellen kulturgeschichtlichen Überlieferung gespiegelt werden. Die elf nominierten Kurstädte verstehen sich dabei als die bedeutendsten Vertreter der europäischen Kurtradition und besitzen als Verbund einen außergewöhnlichen universellen Wert.

Solche sogenannten seriellen Welterbeanträge und im speziellen gemeinsame Anträge von mehreren Ländern haben in jüngerer Zeit zugenommen. Es handelt sich dabei entweder um sich über Ländergrenzen hinweg erstreckende Denkmale oder mehrere abgegrenzte Teile in verschiedenen Vertragsstaaten der Welterbekonvention, die in ihrer Gesamtheit die Welterbestätte bilden.

Beispiele solcher internationalen Welterbebewerbungen, an denen Baden-Württemberg beteiligt war, sind die 2005 um den Obergermanischen-Raetischen Limes erweitere Welterbestätte „Grenzen des römischen Reiches“ oder die 2016 eingeschriebene Welterbestätte „Das architektonische Werk von Le Corbusier“, das die innovative und zukunftsweisende Architektur des schweizerisch-französischen Architekten Le Corbusier in Frankreich, Belgien, Deutschland, Schweiz, Indien, Japan und Argentinien umfasst.

Die besonderen Merkmale der „Great Spa Towns of Europe“

Die globale Bedeutung und der außergewöhnliche universelle Wert begründen sich darin, dass die „Great Spa Towns of Europe“ ein repräsentatives Zeugnis des komplexen siedlungsgeschichtlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Phänomens der europäischen Kurtradition darstellen. Die Wurzeln dieser Tradition reichen bis in die Antike zurück, doch erlebte sie ihren Höhepunkt im 18. und langen 19. Jahrhundert.

Traditionelle Badekulturen gibt es in vielen Teilen der Erde; von diesen unterscheidet sich die „europäische“ Kurtradition maßgeblich darin, dass die Nutzung von Heilquellen über die Jahrhunderte zur Entwicklung eines besonderen Siedlungstypus führte – die europäische Kurstadt.

Ensemble Kurstadt

Den funktionalen Mittelpunkt der Kurstädte bildet die Nutzung der Quellen – zunächst zum Baden ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert zunehmend auch für die Trinkkur. In diesem Zusammenhang etablierte sich ein Bauprogramm, das bis heute als kennzeichnend für Kurorte gilt und den architektonischen Typus der Kurstadt begründete.

Die großen internationalen Kurstädte, für die die „Great Spa Towns of Europe“ stehen, weisen neben den einschlägigen Kureinrichtungen wie Trink- und Wandelhallen, Gesellschaftsbädern, Kurhäusern und Kurparks insbesondere umfangreiche Villengebiete aber auch geschlossen bebaute repräsentative Wohnquartiere auf.

Dazu kommen ein den hohen Gästezahlen entsprechend reicher Bestand an Hotels und Pensionen, eine „moderne“ technische Infrastruktur sowie vielfältige Freizeiteinrichtungen in Form von Spielcasinos und Sportanlagen. Ein wichtiges Merkmal ist zudem der enge Verbund mit der umgebenden Landschaft.

Die Welt zu Gast

Bis Ende des 19. Jahrhunderts gab es europaweit mehr als 1500 Bade- und Kurorte. Das Spektrum reichte dabei von Bädern mit lediglich regionaler Bedeutung auf der einen, bis zu Kurstädten von internationalem Rang auf der anderen Seite. Letztere besaßen europaweite Anziehungskraft und insbesondere die europäische Oberschicht genoss die Vorzüge der Kurstädte. Der europäische Adel, Politiker, wohlhabende Industrielle und Künstler verbrachten ihre Sommer in den berühmten Kurstädten ihrer Zeit. Namenszusätze, wie „die Sommerhauptstadt Europas“ für Baden-Baden lassen die internationale Bedeutung der Städte erahnen.

Die „Great Spa Towns of Europe“ wurden so zu Vorreitern in der Entwicklung des modernen Tourismus und standen dabei – aus kultureller Sicht – in Konkurrenz zu den großen Metropolen des 19. Jahrhunderts. Unterschiedlichste Nationalitäten und Konfessionen tauschten ihre Ideen und Gedanken aus und so mancher Gast ließ sich sogar langfristig nieder. Dadurch lieferte diese Gruppe bedeutender Kurstädte einen wesentlichen Beitrag zu Entstehung einer bürgerlichen, multikulturellen Gesellschaft in Europa.

Gesellschaftskur

Prägend für das europäische Kurwesen ist spätestens seit dem 18. Jahrhundert die Kombination aus der therapeutischen Anwendung von Wasser (Bade- und Trinkkuren) und körperlicher Bewegung in der Natur, gepaart mit gesellschaftlichen Aktivitäten, wie Konzerten, Bällen und Kasinobesuchen, die der Zerstreuung der Kurgäste dienten.

Das Angebot orientierte sich an großstädtischen Maßstäben und die gesellschaftliche Funktion des Kuraufenthalts erlangte vielerorts eine mindestens ebenso große Bedeutung wie die medizinische. Die „Great Spa Towns of Europe“ waren dabei Modebäder nicht nur als Orte der Heilung, sondern wirkten gleichzeitig als Vorbilder und Trendsetter für die Gesellschaftskur bis hin zum beliebten Heiratsmarkt der Oberschicht.

Politik, Wissenschaft und die Künste

Internationale Kurstädte und Modebäder wie die „Great Spas of Europe“ fungierten als Experimentierzentren für die Ideen der Aufklärung, wodurch sie im 19. Jahrhundert maßgeblich zum sich wandelnden Verständnis von Natur, Kunst und Wissenschaft und zur Demokratisierung der Gesellschaft beitrugen. Gleichermaßen erlebte die Wissenschaft in den Bereichen der Balneologie und der diagnostischen Medizin enorme Fortschritte.

Schriftsteller, Maler und Musiker ließen sich ebenfalls von der internationalen Atmosphäre der „Great Spa Towns of Europe“ für ihre Werke inspirieren und zahlreiche Uraufführungen feierten Premiere in deren Theatern und Konzertsälen. Dabei wurde nicht selten neben dem Unterhaltungsangebot, die Kurstädte und ihr informeller Rahmen als politische Bühne genutzt und die eine oder andere politische Verhandlung geführt.

Der außergewöhnliche universelle Wert der „Great Spa Towns of Europe“

Die „Great Spa Towns of Europe“ sind ein repräsentatives materielles Erbe der europäischen Kurtradition, die ihrerseits Einfluss auf die Entwicklung einer transnationalen Kultur in Europa hatte. Dies bildet die Basis für die UNESCO-Welterbenominierung und den dafür erforderlichen außergewöhnlichen universellen Wert. Als Nachweis können neben der authentischen und unversehrten Erhaltung gleich mehrere der von der UNESCO dafür definierten Kriterien geltend gemacht werden. So erfüllen die Great Spa Towns of Europe das:

Kriterium II basierend auf dem Austausch innovativer Ideen und als Experimentierzentren für das Verständnis von Natur, Kunst und Gesellschaft; Kriterium III als Zeugnis der kulturellen Tradition der Gesundheitspflege bestehend aus der Kur, körperlicher Ertüchtigung und Unterhaltung; Kriterium IV für ihre eigenständige städtebauliche Typologie und ihre architektonischen Prototypen; sowie Kriterium VI als Entstehungsorte einer länderübergreifenden Kultur.

4. Vorstellung der elf „Great Spa Towns of Europe“ – Vielfalt in der Einheit

Eine Luftaufnahme des Royal Crescent in Bath. Bild vergrößern
(c) Tony Crouch Eine Luftaufnahme des Royal Crescent in Bath.

Die Autoren Volkmar Eidloth, Hauptkonservator im Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg, und Isabelle Mühlstädt von der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung Baden-Baden beschreiben die Gemeinsamkeiten sowie den vielfältigen städtebaulichen und kulturhistorischen Ausprägungen der „Great Spa Towns of Europe“.

Die „Great Spa Towns of Europe“ repräsentieren zusammen das Phänomen der europäischen Kurstadt auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung vom 18. bis in das frühe 20. Jahrhundert. In diesem Artikel sollen die elf Bäderstädte zusammen als die „Great Spa Towns of Europe“ kurz vorgestellt werden, bevor sie im Herbst dieses Jahres in Einzelartikeln ausführlich beschrieben werden.

Die Entstehung der Gruppe

Die „Great Spa Towns of Europe“ verstehen sich als Exponenten des europäischen Kurwesens im langen 19. Jahrhundert und seiner internationalen Verflechtungen. Die Zusammensetzung der Serie basiert damit gleichermaßen auf der Gemeinsamkeit einer hervorgehobenen kulturgeschichtlichen Bedeutung wie auch auf den individuellen historischen Qualitäten der Städte. Dazu wurde 2010 eine Vergleichsstudie der bedeutendsten europäischen Kurstädte im Auftrag der Stadt Baden-Baden erstellt. Deren Ergebnisse diskutierte und bestätigte eine von ICOMOS Deutschland, dem Landesamt für Denkmalpflege und der Stadt Baden-Baden veranstaltete internationale Fachtagung.

Eine weitere Vergleichsstudie einer internationalen und interdisziplinären Facharbeitsgruppe folgte in den Jahren 2015/2016. Diese differenzierte zwischen europäischen Bädern mit ausschließlich regionalem Einfluss, Städten mit nationaler Bedeutung und den großen Kurstädten, die eine internationale Reputation und Anziehung genossen und verknüpfte diese Aspekte mit Fragen nach der Authentizität und Integrität der verglichenen Orte. Auf Grundlage dieser Vergleichsstudie entschied schließlich 2016 eine zwischenstaatliche Lenkungsgruppe über die Zusammensetzung der „Great Spa Towns of Europe“.

Einheit in der Vielfalt

Vergegenwärtigt man sich die quantitativ und geographisch große historische Verbreitung von Bäderstädten in Europa, wird deutlich, dass eine Kurstadt schwerlich für sich in Anspruch nehmen kann, allein das Phänomen auf der Welterbeliste zu repräsentieren. Anders eine transnationale serielle Welterbestätte, wie sie die elf „Great Spa Towns of Europe“ bilden. Nur eine Gruppe vermag das weite Spektrum europäischer Kurstädte und deren außergewöhnlichen universellen Wert (OUV) zu veranschaulichen. Dabei muss einerseits jede Stadt den Anforderungen an den gemeinsamen OUV genügen und andererseits durch individuelle Qualitäten zum Wert der Serie beitragen.

Mit der länderübergreifenden gemeinsamen Bewerbung demonstrieren die elf „Great Spa Towns of Europe“ die Einheit in der Vielfalt, wie sie den europäischen Kurstädten eigen ist.

Heilquellen als Herzstück

Unterschiedliche Thermal- und Mineralquellen bilden das Herz der „Great Spa Towns of Europe“, die sich damit auch von den meisten Seebädern und klimatischen Kurorten unterscheiden, wie sie vor allem im 19. Jahrhundert aufkamen. Für die Heilquellen wurden verschiedene Formen des therapeutischen Gebrauchs entwickelt. Neben dem Baden als der wesentlichen Form der Anwendung war es die Trink- oder Brunnenkur, für die es aus Spa, Vichy oder Karlovy Vary Belege schon aus dem frühen 16. Jahrhundert gibt. Spa ist seit dem frühen 17. Jahrhundert außerdem für seine wegweisende Rolle in der Identifizierung der Heilwirkungen von Mineralwasser bekannt. Die Badeärzte in Bath waren seit dem 1740ern Wegbereiter für die diagnostische Medizin.

Spa, Vichy, Bad Ems, Bad Kissingen, Karlovy Vary und Mariánské Lázně erlangten europaweit zudem Bekanntheit durch die Vermarktung und den Versand ihres Quellwassers. Vichy und Bad Ems vertrieben erfolgreich ihr Mineralwasser in Flaschen, als gepresste Pastillen oder in Kosmetikprodukten.

Variationen eines Stadttyps

Die Heilquellen bilden den Ausgangspunkt für die städtebauliche Entwicklung aller „Great Spa Towns of Europe“, die aber ganz unterschiedlich verlief. In Bath, Baden bei Wien, Baden-Baden oder Vichy wurden diese bereits in der Antike genutzt und darüber Siedlungen gegründet. Auch die Quellen von Spa waren wohl schon den Römern bekannt, liegen dort aber bis heute nicht in der Stadt, sondern darum herum. Bad Ems hingegen erwuchs aus einem im Mittelalter noch weit abseits von Siedlungen gelegenen sogenannten Wildbad und Karlovy Vary wurde seiner Quellen wegen im 14. Jahrhundert zur Stadt erhoben.

Ihre Blütezeit erlebten die „Great Spa Towns of Europe“ vom 18. bis in das frühe 20. Jahrhundert. So wurden im 18. Jahrhundert Montecatini Terme und Spa zu Modebädern ausgebaut. Das große Vorbild lieferte die grandiose Umgestaltung von Bath zwischen 1729 und 1790 durch die beiden Architekten John Nash der Ältere und der Jüngere, derentwegen Bath heute schon auf der UNESCO-Welterbeliste verzeichnet ist. In Karlovy Vary, Baden-Baden und Bad Kissingen entstanden im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert moderne Kurviertel außerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern, die vor allem der Gesellschaftskur dienten.

In der gleichen Zeit entstanden Mariánské Lázně und Františkovy Lázně mehr oder weniger auf der grünen Wiese. Während Marienbad sich boomartig zu einer mondänen Kurstadt entwickelte war Františkovy Lázně auf einem strengen Rechteckraster planmäßig angelegt worden. Solche städtebauliche Regelmäßigkeit kennzeichnet auch die Stadterweiterungen Mitte des 19. Jahrhunderts unter Napoleon III. in Vichy und die „Neue“ später „Protestantische Vorstadt“ in Baden-Baden.

Allen „Great Spa Towns of Europe“ gemeinsam ist die signifikante Architektur europäischer Kurstädte als da wären Brunnen- und Trinkhallen, Bäderbauten, Kolonnaden und Wandelgänge, Kurhäuser, Spielkasinos, Konzerthäuser und Theater. Dazu kommen Hotels und Villen, die oft regelrechte Quartiere bilden, sowie Gotteshäuser unterschiedlichster Konfessionen und eine kurgerechte Infrastruktur. All das ist eingebettet in ein grünes städtebauliches Umfeld mit Promenaden, Parks und Gartenanlagen, die ihrerseits eine enge Verbindung mit der umgebenden, für die Kur erschlossene und ausgestattete Landschaft schaffen.

Die Bandbreite der Kurarchitektur in den elf nominierten und die allein schon durch Genese und Topographie variierenden Ausprägungen des allen gleichermaßen zugrundeliegenden Ensembletyps wird in einem der folgenden Beiträge dieser Artikelserie im Spätjahr vorgestellt werden.

Internationales Profil

Geeint sind die elf „Great Spa Towns of Europe“ in ihrem Anspruch, internationale Atmosphäre besessen zu haben – und noch zu besitzen. Dies äußerte sich nicht nur in dem hohen Anteil und einer großen Vielfalt ausländischer Gäste, die sie besuchten, sondern auch in den materiellen Hinterlassenschaften dieses internationalen Publikums, das die Städte bis heute auszeichnet.

Sichtbar wird er auch in bereits für das 19. Jahrhundert belegbaren Namenszusätzen wie „Weltbad“, „Weltkurstadt“, „Café de l'Europe“, „Sommerhauptstadt Europas“. Der Name des belgischen Spa steht im Englischen für Bäderorte insgesamt; das Prestige von Vichy beispielsweise äußerte sich in Namensvergleichen wie „katalonisches Vichy“ für Caldes de Malavella oder in „Vichy des Kaukasus“ für Borschom.

5. Baden-Badens individueller Beitrag zur Serie der „Great Spa Towns of Europe“

Roter Saal im Casino Baden-BadenBild vergrößern
(c) Torben Beeg Das Glücksspiel in Baden-Baden hat Tradition: Roter Saal im Casino.

Lisa Poetschki von der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung Baden-Baden stellt heute den Beitrag Baden-Badens zur Serie der elf Kurstädte vor.

Eine 2000-jährige Tradition

Baden-Badens Beitrag zur Serie der Great Spa Towns of Europe besteht zum einen in seiner fast 2000-jährigen belegten Nutzung des Thermalwassers und zum anderen in seiner unvergleichlichen Tradition eines sogenannten „Spielebads“– einer Kurstadt, die ihre modische und internationale Atmosphäre zum Großteil der Glückspielkonzession im 19. Jahrhundert zu verdanken hat.

Baden-Baden hebt sich durch seine außergewöhnlich lange Tradition in der Nutzung des Thermalwassers von anderen Kurstädten ab. Die Quellen wurden bereits von den Römern genutzt, die zu Initiatoren dieser fast 2000-jährigen Tradition der Heilung durch Thermalwasser wurden. Ab dem 2. Jahrhundert nach Christus waren römische Besatzungstruppen in Baden-Baden stationiert und gründeten am Fuß des Friesenbergs die Siedlung „Aquae“.

Die Kaiserthermen, zu deren luxuriösen Ausbau der Badeeinrichtungen Kaiser Caracalla (188-217 n.Chr.) einen besonderen Beitrag leistete befinden sich unter dem heutigen Marktplatz. Die archäologischen Überreste der Soldatenbäder in Baden-Baden mit ihren ausgeklügelten Heiz- und Wassertechnologien sind noch immer unterhalb des Friedrichsbads zu bestaunen.

Im Mittelalter wurden die Qualitäten der heißen Quellen in Baden-Baden wiederentdeckt. Abhängig vom jeweiligen Arzt und dem Stand der Forschung wurden heilende Wasser für verschiedenste Krankheiten verwendet. Mittelalterliches Baden wurde in bescheidenen Badehäusern vollzogen. Um 1600 besaß Baden-Baden bereits zehn Badherbergen, über 300 Badekabinen und wurde von 3000 Badegästen pro Jahr besucht.

Auch Markgraf Ferdinand Maximilian erkannte die Vorteile seines Herrschaftssitzes oberhalb der Quellfassungen und ließ von 1652 bis 1669 ein prunkvolles Bad mit reicher Stuckausstattung im Erdgeschoss seines Schlosses am Florentinerberg errichten.

Die Zerstörung Baden-Badens durch einen Stadtbrand während des Pfälzischen Erbfolgekriegs zwischen Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich im Jahr 1689 führte zum Ende des Badebetriebs. Die Stadt wurde zwar im 18. Jahrhundert langsam wiederaufgebaut, doch Badegäste kamen nur noch wenige in die Stadt.

Baden-Badens Aufstieg zum internationalen Vergnügungszentrum

Dies sollte sich zum Ende des 18. Jahrhunderts ändern. Markgraf Ludwig Georg erlaubte per Erlass von 1748 einigen Badewirten das Hasardspiel zu veranstalten – unter Aufsicht einer markgräflichen Spielkommission. Der Ausbau zur Kurstadt begann mit dem Bau eines Promenadenhauses mit Kastanienallee außerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern.

Ab 1801 fanden erste konzessionierte und überwachte Glücksspiele in Baden-Badener Hotels statt. 1812 eröffnete im ehemaligen Jesuitenkolleg, im heutigen Rathaus, unter Aufsicht der Behörde eine Spielbank. Mit der 1824 erfolgten Erweiterung des Promenadenhaus zum Konversationshaus mit dem neuen Casino und der Anlage eines Kurgartens stand dem Aufstieg Baden-Badens zur internationalen Kurstadt nichts mehr im Wege.

Da das Glückspiel in den meisten Ländern Europas zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht legal war, besuchten nicht mehr nur regionale Gäste die Kurstadt im Schwarzwald, sondern Adelige, Künstler und Gelehrte aus der ganzen Welt. In den Worten des russischen Schriftstellers Ivan Turgenjew: „Alle Welt hält es für seine angenehme Pflicht hier gewesen zu sein.“ (1818-1883).

So strömten die Leute nicht nur wegen des Thermalwassers, das in diesen Jahren überwiegend als Trinkkur verabreicht wurde, und der Hoffnung auf Heilung ihrer Leiden in die Stadt, sondern vor allem auch wegen des hohen Unterhaltungsfaktors während des Kuraufenthalts.

Das Spielkasino im Konversationshaus war seit 1824 der zentrale gesellschaftliche Treffpunkt der Stadt. Die französische Unternehmerfamilie Bénazet übernahm 1838 die Pacht für die Spielkonzession im Konversationshaus. Jaques Bénazet (1778-1848) und sein Sohn Edouard (1801-1867) sollten über die kommenden Jahre bis 1872 den Spielbetrieb in eine luxuriöse Spielbank wandeln. Die Familie Bénazet sollte auf Baden-Baden erheblichen Einfluss nehmen.

Die Einnahmen durch den Spielbetrieb ließ die Familie Bénazet der städtebaulichen Entwicklung der Stadt zu Gute kommen. So wurden unter anderem die Pferderennbahn in Iffezheim 1858 sowie das Theater von Edouard Bénazet finanziert, dass nun einen angemessenen Rahmen für die herausragenden musikalischen Veranstaltungen, Theaterstücke und Tanzinszenierungen international renommierter Künstler bot.

Das Glücksspiel war somit ein entscheidender Faktor für Baden-Badens Aufstieg zur international bedeutenden und mondänen Kurstadt. Es überrascht daher nicht, dass das Baden-Badener Spielcasino zum Vorbild für Monte Carlo wurde.

Fortsetzung der Badetradition

Doch die goldenen Zeiten des Glücksspiels in Baden-Baden sollten mit dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 ein Ende finden. 1872 folgte das Glücksspielverbot durch die neue Regierung des Deutschen Reichs unter Reichskanzler Bismarck. Dies stellte Baden-Baden, als ehemaliges Vergnügungszentrum Europas, vor die Herausforderung sich neu zu erfinden. Denn auch die internationalen Gäste aus Frankreich und England kamen nicht mehr in die Kurstadt.

Man besann sich auf die jahrhundertealte Badetradition und entsandte Architekten in die bedeutendsten Modebäder Europas. Der Bau des Friedrichsbades, das seinerzeit als modernster Badepalast Europas galt, sollte der Beginn einer neuen Ära in Baden-Baden sein, welches wir in einem späteren Artikel zu Bade- und Trinkkuren in Baden-Baden beleuchten werden.

6. Warum wollen wir Welterbe werden?

KurhausmeetingBild vergrößern
(c) BBT Für die Kombination aus großer Vergangenheit und neuer und internationaler Lebenskultur stehen auch die Baden-Badener Sommernächte im Kurgarten am Kurhaus Baden-Baden.

In dieser Woche hat Isabelle Mühlstädt von der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung mit verschiedenen Baden-Badener Persönlichkeiten gesprochen und gefragt, worin sie die Vorteile der Welterbebewerbung sehen.

Die Idee kam bereits vor 14 Jahren

Die Idee einer UNESCO-Welterbebewerbung wurde bereits vor 14 Jahren in Baden-Baden geboren. Der "Freundeskreis Lichtentaler Allee e.V." hatte 2006 die Idee, Baden-Baden für die Welterbeliste zu nominieren und diese in einem Symposium "Kulturerbe als Grundlage von morgen" zu diskutieren. Hans-Peter Mengele, erster Vorsitzender des Freundeskreises Lichtentaler Allee e.V. erinnert sich „im Bewusstsein der hohen Qualität der einzigartigen städtebaulichen und kulturellen Qualität der Stadt, sahen wir mit dem Blick in die Zukunft, dass diese für künftige Generationen geschützt werden müssen.

Emotionaler Ausgangspunkt war die Lichtentaler Allee, als Herzstück der Stadt, aber das Vorhaben erfasste schnell die historische Kurstadt als Gesamtheit.“ Bis heute finden viele verschiedene kleine und größere Veranstaltungen zum Thema der Bewerbung in Baden-Baden statt, die auf kommunaler Ebene kontinuierlich vom Freundeskreis Lichtentaler Allee, Brenners Park-Hotel & Spa, der IHK, dem Palais Biron sowie von zahlreichen lokalen Akteuren und Vereinen unterstützt wurden und werden. Der Freundeskreis Lichtentaler Allee erweiterte 2014 seinen Vereinszweck durch den Namenszusatz – „Initiative Weltkulturerbe“, um das bürgerschaftliche Engagement zum Ausdruck zu bringen.

Aufnahme auf die UNESCO-Welterbeliste wäre eine besondere Anerkennung

Die Stärkung des Geschichtsbewusstseins der Bürger und Bürgerinnen, der Stolz auf die Stadt und somit die Wertschätzung des gemeinsamen Erbes sind Motivation für die Bemühungen um die Aufnahme als UNESCO-Welterbe. So ist in den letzten Jahren eine höhere Sensibilität für die städtebauliche Entwicklung und das überlieferte Stadtbild festzustellen.

Erster Bürgermeister Alexander Uhlig erläutert, dass „die Struktur, Substanz sowie spezifischen Funktionen der Kurstadt des 19. Jahrhunderts in Baden-Baden größtenteils erhalten sind und einen wertvollen Bestandteil unseres unverwechselbaren baukulturellen Erbes bilden. Die erfolgreiche Aufnahme der „Great Spa Towns of Europe“ auf die UNESCO-Welterbeliste wäre für unsere Stadt eine besondere Anerkennung der jahrelangen Anstrengungen, das architektonische, städtebauliche und landschaftliche Erbe der Stadt zu schützen und nachhaltig in die Zukunft zu entwickeln.“

Steffen Ratzel, Geschäftsführer der Bäder- und Kurverwaltung Baden-Württemberg (BKV) ergänzt: „Die Einzigartigkeit vieler herausragender Gebäude und städtebaulicher Errungenschaften in Baden-Baden verdient aus meiner Sicht eine besondere weltweite Würdigung. Im erlauchten Kreise der bereits ernannten Weltkulturerbestätten wäre Baden-Baden ein attraktiver und würdiger Neuzugang. Zugleich wäre diese Auszeichnung eine Verpflichtung, dieses historische Erbe weiter zu pflegen und behutsam zu entwickeln, um vielen internationalen Gästen auch künftig ein faszinierendes Erlebnis zu ermöglichen. Dieses Ziel zu erreichen spornt uns täglich neu an!“

Großes Potential für neue Themen und Arbeitsfelder

Denn mit der Aufnahme auf die UNESCO-Welterbeliste entsteht auch ein großes Potential für neue Themen und Arbeitsfelder, die neue Investitionen in die Stadt führen. Die kulturelle Anerkennung führt somit zur Ausweitung der weichen Standortfaktoren für den Arbeitsplatzsektor. Dieses Potential betont auch Wolfgang Grenke, Baden-Badener Unternehmer, Stifter und Präsident der Industrie- und Handelskammer: „Die weitreichende Strahlkraft der Marke Baden-Baden ist das Ergebnis einer langen Geschichte und wird mit dem Erhalt, der Pflege und der Vermittlung des Kulturerbes weiter gestärkt.“

Auch Unternehmer Bernhard Wagener meint: „Bürger und Leistungsträger profitieren von der Einmaligkeit dieser Stadt, das heißt von den Reichtümern der Vergangenheit, den Neuzugängen höchster Qualität der letzten Jahre und einer Infrastruktur, die viele Städte gerne hätten. Auf dieser Ebene wäre der Titel als UNESCO-Welterbe eine Auszeichnung aller Bemühungen um die Qualitätssicherung und Attraktivität der Stadt. Stillstand können wir uns nicht leisten.“

Ziel der touristischen Entwicklung in Baden-Baden

Ziel der touristischen Entwicklung Baden-Badens ist in erster Linie nicht die kontinuierliche Steigerung der bereits hohen Übernachtungszahlen, sondern vor allem eine qualitative Entwicklung, die sich unter anderem in der Aufenthaltsdauer der Gäste wiederspiegelt. Eine Stadt wie Baden-Baden lässt sich - besonders angesichts Ihres so großen kulturellen Angebotes - nicht an einem Nachmittag entdecken. Das ist natürlich schon jetzt der Fall, wird jedoch durch die Anerkennung als Weltkulturerbe in der Kommunikation noch verstärkt.

Nora Waggershauser, Geschäftsführerin der Baden-Baden Kur & Tourismus hierzu: „Touristisch gesehen unterstreicht der Welterbetitel als Teil der „Great Spa Towns of Europe“ vor allem für internationale Gäste die Strahlkraft Baden-Badens als Must-See-Destination in Europa. Gerade weil uns in unserer Stadt die einzigartige Kombination von großer Vergangenheit mit neuer und internationaler Lebenskultur auf höchstem Niveau gelingt. Gleichzeitig würde uns der Welterbetitel auch darin bestärken, das einzigartige Bild der Altstadt als Herzstück für das gute Leben in Baden-Baden - sowohl für Gäste, als auch für Bürger - zu schützen.“

Auch Henning Matthiesen, geschäftsführender Direktor des Brenners Park-Hotel & Spa betont, wie wichtig es ist, sich für den Erhalt und die Pflege des städtischen Kulturerbes einzusetzen. „In Hinsicht auf das internationale Marketing der Stadt Baden-Baden kann eine solche Auszeichnung sehr positiv aufgenommen werden. Um die besondere Anziehungskraft unserer wunderschönen Stadt zu erhalten, muss dabei das integrierte Zusammenspiel des Managements zum Schutz der Welterbestätte und des Tourismus gewährleistet sein.“

Anerkennung eines grenzüberschreitenden Projektes

Doch letztlich bedeutet die Anerkennung der „Great Spa Towns of Europe“ auf der UNESCO-Welterbeliste auch die Anerkennung eines grenzüberschreitenden Projektes und der Förderung des europäischen Zusammenhalts. „Ich sehe die Welterbebewerbung gleichzeitig auch als Beitrag zum europäischen Dialog und als ein Bekenntnis zu unserer gemeinsamen europäischen Kulturgeschichte“, so Oberbürgermeisterin Margret Mergen.

7. Vorstellung der nominierten Welterbestätte Baden-Baden

Blick von Westen über Baden-Baden Bild vergrößern
(c) Willi Walter, 2009 Luftaufnahme der nominierten Welterbestätte mit altem und neuem Kurquartier, Villengebieten und der Lichtentaler Allee eingebettet in die umgebende Kur- und Erholungslandschaft.

In dieser Woche stellt Isabelle Mühlstädt von der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung Baden-Baden die Bestandteile der nominierten Welterbestätte in Baden-Baden und ihre Bedeutung für den Welterbeantrag vor.

Was gehört zum Welterbe in Baden-Baden?

Baden-Baden und die zehn weiteren „Great Spa Towns of Europe“ sind auf dem Weg zum Welterbe. Aber viele Baden-Badener fragen sich „Was gehört eigentlich zum Welterbe in Baden-Baden?“.

Vorweg lässt sich sagen, dass räumlich betrachtet, die gesamte historische Innenstadt Baden-Badens in den Grenzen von zirka 1920 zur nominierten Welterbestätte gehört, in der die besonderen Merkmale (Attribute) der „Great Spa Towns of Europe“ und ihre Einzelobjekte (Elemente) des außergewöhnlichen universellen Wertes bis heute ablesbar sind und die für die Authentizität und die Integrität der nominierten Welterbestätte stehen.

Sechs Attribute

Zu den sechs Attributen gehören die Heilquellen, die historische Stadtlandschaft, Kurarchitektur, die kurstädtische Infrastruktur und die Kur- und Erholungslandschaft sowie immaterielle Werte. Diese immateriellen Werte drücken sich aus in Form von wissenschaftlichen, künstlerischen und literarischen Werten; der Internationalität der Kurstädte sowie besonderer historischer Ereignisse. Das sechste Attribut ist die fortwährende Kurtradition der Kurstädte und ihr gelebtes Erbe. Diese sechs Attribute bilden die Anatomie einer internationalen Kurstadt.

Kern-, Schutz- und Pufferzonen

Jede Welterbestätte besteht aus einer sogenannten Kernzone, die alle physischen Elemente des Welterbes umfasst und einer umgebenden Schutzzone, einer sogenannten Pufferzone. Zur Kernzone in Baden-Baden gehören die verschiedenen Stadtquartiere in der historischen Innenstadt, die sich vom Mittelalter bis in das frühe 20. Jahrhundert entwickelten.

Die Pufferzone umgibt die Kernzone gleichmäßig zu allen Seiten und reicht bis an die Höhenkämme vom Battert, Merkur/ Großer und Kleiner Staufenberg, Wurzgartenkopf und Fremersberg. Sie dient dem Schutz der visuellen Integrität der Kernzone; insbesondere die sensiblen Blickachsen gilt es durch die Kern- und Pufferzone zu schützen.

Die Entwicklung Baden-Badens zur bedeutenden Kurstadt

Ausgangspunkt der Entwicklung Baden-Badens zur bedeutenden Kurstadt ist die Altstadt mit ihrem historischen Bäderviertel. Am Hang des Florentinerbergs entspringen die 13 Thermalquellen. Sie stellen das Herz der Welterbebewerbung dar. Bereits in der Antike entstanden dort die ersten römischen Thermen, die Badetradition wurde im Mittelalter in bescheidenen Badehäusern fortgeführt oder im Kontrast im fürstlichen Prunkbad des Markgrafen von Baden von 1660 im Neuen Schloss.

Mit dem Bau des Friedrichsbads 1869 bis 1877, dem modernsten Badepalast seiner Zeit, erlebte die Badetradition in Baden-Baden ihre Blütezeit. Auch heute noch ist die Badetradition lebendiger denn je und wird im Friedrichsbad in den ursprünglichen Räumlichkeiten authentisch fortgeführt.

Historische Stadtlandschaft

Zur historischen Stadtlandschaft gehört neben dem historischen Bäderviertel auch das jenseits der Oos im späten 18. Jahrhundert initiierte „neue Kurviertel“ außerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern. Es steht für Baden-Badens Aufstieg zur bedeutenden Kurstadt im 19. Jahrhundert, der durch den Bau des Konversationshaus 1822 bis 1824 durch Friedrich Weinbrenner sowie des großzügigen Kurgartens ausgelöst wurde.

Typische Beispiele für die Kurarchitektur sind Kurhaus mit Kasino, Theater (erbaut 1860-1862) und Kurhauskolonnaden (erbaut 1867-1868). Dieses bauliche Ensemble diente dem Vergnügen und der gesellschaftlichen Zerstreuung und war in eine weitläufige Parklandschaft eingebettet, die zum Flanieren einlud. Die Kurgäste sollten, wenn sie sich nicht gerade in der Trinkhalle (erbaut 1839-1842) der Trinkkur widmeten, trotzdem alle kulturellen Annehmlichkeiten einer Großstadt genießen können.

Angezogen von der internationalen Atmosphäre der modischen Kurstadt waren zunehmend Adelige, Politiker, Künstler und Angehörige der europäischen Elite unter den Kurgästen, die die Sommermonate in Baden-Baden verbrachten. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts entstand daher außerhalb der engen Altstadt eine Vielzahl luxuriöser Grandhotels, die das Ufer der Oos säumten und zum Charakteristikum einer internationalen Kurstadt wurden. Eines der frühesten Beispiele ist das Hotel Badischer Hof von 1807. Ein weiterer berühmter Vertreter, der neben den zahlreichen historischen Hotels in Baden-Baden Teil der Welterbebewerbung ist, ist das Hotel Stéphanie-les-Bains (1834-1895), heute als Brenners Park-Hotel & Spa bekannt.

Villengebiete

Das Villengebiet Beutig-Quettig weist eine Vielzahl an historischen Villen internationaler Architekten auf, die Industriellen, Künstlern und Adligen gehörten, die sich dauerhaft niederließen oder ihre Häuser zeitweise vermieteten. Der gefeierte Maler des europäischen Adels, Franz Xaver Winterhalter ließ sich die Villa Trianon (erbaut 1858-1860) errichten oder auch der russische Schriftsteller Iwan Turgenev ließ seine Villa (erbaut 1864-1867) vom Pariser Architekten Pierre-Joseph Olive ausführen.

Die steigenden Einwohnerzahlen sorgten um 1900 für die Ausweisung des heutigen Annabergs als Villengebiet Friedrichshöhe. Dieses Villengebiet besitzt mit der Wasserkunstanlage „Paradies“ eine bedeutende Garten- und Wohnanlage der 1920er Jahre nach Entwürfen Max Laeugers. Die bemerkenswerte Anzahl von Villen sowie die architektonische Vielfalt, der von internationalen Architekten errichteten Villen, zeichnet die Villengebiete Beutig-Quettig und Annaberg, die sich im Verlauf des 19. und frühen 20. Jahrhunderts an den Hängen ausbreiteten, als wichtigen Bestandteil der Welterbebewerbung aus.

Lichtenthaler Vorstadt

Zur historischen Stadtlandschaft zählen ebenso die geplanten Stadterweiterungen, wie die Lichtenthaler Vorstadt mit ihrem Patte d‘Oie Grundriss und Kirchen verschiedener Konfessionen, wie die Anglikanische Kirche (erbaut 1864-1867) und die Russisch-Orthodoxe Kirche (erbaut 1880-1882) oder die rumänisch-orthodoxe Stourdza-Kapelle (erbaut 1864-1866) am Michaelsberg. Die unterschiedlichen Konfessionen, die damals, wie auch heute in Baden-Baden gelebt werden sind ein weiteres Zeugnis des internationalen Charakters der Kurstadt.

Kur- und Erholungslandschaft

Die Kur- und Erholungslandschaft mit Gärten und Parks innerhalb der Stadt sind ein wichtiger Bestandteil der Kur des 19. Jahrhunderts und daher ein wichtiges Attribut der Welterbebewerbung. Die Lichtentaler Allee, die sich entlang der Oos erstreckt bot den Gästen die Möglichkeit zur Bewegung an der frischen Luft und diente als gesellschaftlicher Treffpunkt. Als Englischer Landschaftsgarten spiegeln sich in der Lichtentaler Allee die Gedanken der Aufklärung, da diese Naturräume Orte der Begegnung waren, in der ständische Unterschiede überbrückt wurden.

Neben den innerstädtischen Grünanlagen, wie der Lichtentaler Allee, der Gönneranlage oder dem Paradies ist auch die umgebende Kur- und Erholungslandschaft mit ausgedehnten bewaldeten Hängen ein wichtiger Bestandteil dieses Attributes. Bereits im 19. Jahrhundert wurden die umliegenden Sehenswürdigkeiten und Aussichtspunkte durch Wanderwege erschlossen und von den Kurgästen viel besucht. Zu den beliebtesten Zielen gehören noch heute das Kloster Lichtenthal (erbaut 1245) und das Alte Schloss (12. Jahrhundert).

Entscheidender Faktor ist die Integrität, also der Erhaltungszustand dieser Elemente sowie die Authentizität. Die Authentizität drückt sich beispielsweise durch die fortwährende Funktion als Kurstadt, die ursprüngliche Nutzung von Kurgebäuden sowie die originale Substanz und Gestalt der Gebäude und Anlagen aus.

Weitere Informationen

Das komplexe Zusammenspiel der Attribute und ihrer kennzeichnenden Elemente macht Baden-Baden zu einer bedeutenden Kurstadt des 19. Jahrhunderts, die ihr materielles und immaterielles Erbe bis heute authentisch bewahrt und ihre Kurtradition lebendig fortführt. In den folgenden Artikeln werden die Attribute und Elemente näher beschrieben, die für den außergewöhnlichen universellen Wert Baden-Badens stehen.

8. Siedlungstypus Kurstadt

Luftaufnahme von Baden-Baden (zentraler Ausschnitt) zeigt beispielhaft den Siedlungstypus Kurstadt mit der engen Verflechtung von Bebauung und Natur („altes“ Bäderviertel, „neues“ Kurviertel, Teile der Villengebiete, Parks und Gärten).Bild vergrößern
(c) Willi Walter Luftaufnahme von Baden-Baden (zentraler Ausschnitt) zeigt beispielhaft den Siedlungstypus Kurstadt mit der engen Verflechtung von Bebauung und Natur („altes“ Bäderviertel, „neues“ Kurviertel, Teile der Villengebiete, Parks und Gärten).

In dieser Woche widmet sich Smriti Pant, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung, dem Siedlungstypus einer europäischen Kurstadt am Beispiel Baden-Badens.

Die historische Stadtlandschaft der europäischen Kurstadt ist eines der sechs Merkmale (Attribute), die den außergewöhnlichen universellen Wert der „Great Spa Towns of Europe“ ausmachen. Doch was ist eigentlich das Besondere an dieser Stadtlandschaft, das zur außergewöhnlich universellen Bedeutung der elf Kurstädte aus sieben Ländern beiträgt?

Kurz gefasst ist die erwähnte Stadtlandschaft das Resultat der Entwicklung eines eigenständigen Siedlungstypus, nämlich dem einer der Kurstadt, der sich im 18. und 19. Jahrhundert europaweit entwickelte. Die „Great Spa Towns of Europe“ stellen hervorragende Beispiele für die Form und Funktion dieses Siedlungstypus dar.

Siedlungstyp Kurstadt

Ein Siedlungstyp zeichnet sich durch eine einzelne vorherrschende wirtschaftliche, militärische und/oder soziale Funktion aus. Als Beispiele seien genannt: „Bergstadt“ (z.B Freiberg), „Festungsstadt“ (z.B. Neu-Breisach), „Residenzstadt“ (z.B. Karlsruhe) oder „Kurstadt“ (z.B. Baden-Baden) Eine Kurstadt ist eine Stadt, die in ihrer Gesamtheit durch das Kurwesen geprägt ist.

Merkmale einer europäischen Kurstadt: Beispiel Baden-Baden

Mit einer „Kombination aus therapeutischer Anwendung von Wasser (Baden, Trinken) mit Zerstreuung und gesellschaftlichen Veranstaltungen (Musik, Tanz, Spiel) und körperlicher Bewegung (Sport) unterscheidet sich die europäische Kurtradition von traditionellen Bäderkulturen in anderen Teilen der Welt. Zum Zwecke des Kurens nahm die Stadtentwicklung eine besondere Richtung hin zu einer typischen Siedlungsform.

Wie andere europäische Kurstädte entwickelte sich Baden-Baden um die natürlichen Heilquellen herum und etablierte einen Kurbetrieb, der zunächst Badeanwendungen und ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert zunehmend auch Trinkkuren bot. Die europäischen Kurstädte waren Zentren der Gesellschaftskur und Orte der Muße. Die Ansprüche der kurativen, therapeutischen und sozialen Funktion des Kurens, auch als „Zur Kur gehen“ bekannt, wirkten sich auf Stadtentwicklungsprozesse und somit auf Stadtbild aus und auf eine charakteristische urbane Form mit einer besonderen und eigenständigen Kombination der Architektur, Städtebau und Gartenarchitektur.

Kennzeichnend sind die städtebauliche Differenzierung in strukturell unterschiedliche Bereiche wie Kurviertel, Villengebiete und geschlossene Stadterweiterungen. Auch die Offenheit, die enge Verflechtung zwischen der Bebauung und gestalteten Grünanlagen sowie die enge Verzahnung der Siedlung mit der umgebenden freien Landschaft zählen zum besonderen Charakter der europäischen Kurstädte.

Neue Formen von Begegnungs- und Kommunikationsräumen

Die internationalen Kurstädte waren somit Experimentierfelder für die Umsetzung des neuen Verständnisses von Natur und Kunst, der Änderung des Freizeitverhaltens sowie die Verbürgerlichung und Demokratisierung der europäischen Gesellschaft in Folge der Aufklärung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Diese Kurstädte bildeten neue Formen von Begegnungs- und Kommunikationsräumen, bei denen sich die Siedlung zur freien Natur hin öffnete und die jedem nach seinem Vermögen und seinen Vorlieben Aufenthalt gewährten.

Ablesbar wird das beispielsweise an der frühen Verlagerung des Kurviertels aus der Altstadt in die freie Landschaft der Oosaue und deren Ausgestaltung als Landschaftsgarten ab dem zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Parallel erfolgte der systematische Ausbau des neuen Kurgebiets zu einem internationalen Treffpunkt und Unterhaltungsquartier, ab 1838 vorangetrieben durch die aus Paris gekommene Unternehmerfamilie Bénazet.

Da die Kurgäste angemessene Unterkünfte verlangten, wurden nicht nur luxuriöse Hotels errichtet, wie der Badische Hof, welcher als das erste Grand Hotel Deutschlands gilt, sondern auch zahlreiche Villen. Villenanwesen entstanden zuerst oberhalb des Kurviertels am Hang des Fremersbergs, später dehnte sich das Villengebiet gen Süden aus. Die Villen beherbergten zum einen Kurgäste, waren also temporär vermietet, zum anderen ließen sich hier auch in- und ausländische Dauerkurgäste nieder, die Baden-Baden zu ihrem Wohnsitz erklärten.

Kirchenbauten verschiedener Konfessionen

Die ausländischen Gäste benötigten darüber hinaus eigene Gotteshäuser, sodass in Baden-Baden, wie in anderen bedeutenden Kurstädten auch, Kirchenbauten verschiedener Konfessionen entstanden. Diese fanden in der geplanten südlichen Stadterweiterung mit charakteristischen Straßenzügen und -plätzen ihren Ort. Im frühen 20. Jahrhundert wurde oberhalb der Vorstadt am Hang des Annabergs ein weiteres Villenviertel planmäßig angelegt, mit dessen Erschließung die Stadterweiterung bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitgehend abgeschlossen war.

Neben Städtebau und Architektur waren es ebenso die Grünflächen und die Landschaft, die vor dem Hintergrund der Neuausrichtung Baden-Badens als Modebad neu gestaltet und erschlossen wurden. Während die bewaldeten Hügel des Nordschwarzwalds zu Ausflügen in die Landschaft einluden, unternahmen die Kurgäste ihre täglichen Morgen- und Nachmittags-spaziergänge in Kurgarten und Kurpark. Auch Spaziergänge durch die Villengebiete mit ihren großzügigen, parkähnlichen Villengärten erfreuten sich großer Beliebtheit. Hierbei fanden die Kurgäste zum einen Zerstreuung und genossen einen ungezwungenen gesellschaftlichen Austausch, zum anderen war die Bewegung wichtiger Bestandteil der Kurtherapie.

Zusammenfassung

Baden-Baden ist ein besonders anschauliches Beispiel für den städtebaulichen Paradigmenwechsel von der barocken, noch befestigten Planstadt hin zur experimentellen Durchmischung von Siedlungselementen mit Gärten, Parks und der Landschaft. Kurhaus, Lichtentaler Allee und andere öffentliche Einrichtungen favorisieren die Durchmischung der Stände und informelle Kontakte: Abseits vom höfischen Zeremoniell der großen Residenzstädte entsteht so ein internationaler, informeller Treffpunkt, der für alle unabhängig von Stand, Herkunft und Religion offensteht. Selbst der deutsche Kaiser Wilhelm I. und seine Frau mischten sich hier unter die Kurgäste und wohnten in einem Hotel! Dieser Öffnung der Gesellschaft entspricht die Öffnung der Stadt zur Umgebung – deren Sehenswürdigkeiten mit Wegen, Einkehrmöglichkeiten und einer Seilbahn erschlossen wurden.

Bis heute ist dieser Siedlungstypus Kurstadt mit seinen ablesbaren Stadtquartieren unterschiedlicher Funktionen und seiner charakteristischen Durchmischung von Natur und Siedlungsraum, von privaten, halböffentlichen und öffentlichen Räumen in seiner Gesamtheit erhalten geblieben. In den folgenden Artikeln werden anhand des Beispiels Baden-Baden weitere Attribute und Elemente näher beschrieben, die für den außergewöhnlichen universellen Wert der „Great Spa Towns of Europe“ ausmachen.

9. Die Kurlandschaft in Baden-Baden

Der Sinterstein-Brunnen in der Lichtentaler Allee.Bild vergrößern
(c) Fotodesign Michael Bauer Der Sinterstein-Brunnen in der Lichtentaler Allee.

In dieser Woche widmet sich Isabelle Mühlstädt, Mitarbeiterin an der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung, der Bedeutung der Parks und Gärten sowie der malerischen Naturkulisse Baden-Badens für den UNESCO-Welterbeantrag.

Prägend für das europäische Kurwesen des 19. Jahrhunderts ist die Kombination aus der therapeutischen Anwendung von Wasser (Bade- und Trinkkuren) und gesellschaftlichen Aktivitäten, die der Zerstreuung der Kurgäste dienten sowie körperlicher Bewegung in der Natur. Zu diesem Zwecke nahm die innerstädtische wie auch die umgebende Landschaft eine wichtige Rolle für das Kurwesen ein und stellt ein eigenständiges Attribut des Welterbeantrags der „Great Spa Towns of Europe“ dar.

Geschichte der Kurlandschaft

Der Bau des Promenadenhauses (heute Teil des Kurhauses) 1766 und die Anlegung der Kastanienallee außerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern war der Ausgangspunkt für die Verlagerung des gesellschaftlichen Lebens hin zur Natur und zugleich für Baden-Badens Wandel zur mondänen Kurstadt. 1775 wurde auf Betreiben des Markgrafen Karl Friedrich (1728-1811) eine „Bad-Kommission“ eingerichtet, um die Attraktivität des Kurortes zu erhöhen. In diesem Zug entstand eine planmäßige Erschließung und Nutzung des Umlandes von Baden-Baden zu Kur- und Erholungszwecken. Es wurden in der näheren Umgebung erste Spazierwege und Aussichtspunkte angelegt sowie Bänke zum Verweilen.

In den 1810er und 1820er Jahren wurde der großherzogliche Baudirektor Friedrich Weinbrenner (1766-1826) damit beauftragt das Kurviertel zu erweitern und zu erneuern. Gleichzeitig mit dem Bau des Konversationshauses 1824 entwickelte Weinbrenner auch die Pläne für die umliegenden Gärten und Parkanlagen. Vollendet wurden die Pläne jedoch von Friedrich Ludwig Sckell (1750-1823) und seinem Nachfolger, dem großherzoglichen Gartendirektor Johann Michael Zeyher (1770-1843), der für die Gestaltung der Kaiserallee verantwortlich war. Zeyher war ebenfalls für die Weiterentwicklung der Lichtentaler Allee ab 1839 zuständig. Er verlängerte die Allee entlang der Oos um weitere 2,5 Kilometer bis zum Kloster Lichtenthal und wandelte die Talaue in einen großzügigen Landschaftsgarten, der nun eine prachtvolle Parklandschaft bot mit mehr als 20 gusseisernen Brücken, die den Flusslauf der Oos überbrückten, und einer Vielzahl von imposanten Bäumen.

Aufklärung in der Natur

Mit der Planung der Kuranlagen und der landschaftlichen Umgebung erhielten der Gedanke der Aufklärung Einzug in Baden-Baden. Man verabschiedete sich von der strengen Symmetrie der Barockgärten und brachte im Stil der Landschaftsgärten die Sehnsucht nach einer natürlich anmutenden Ideallandschaft zum Ausdruck. Dies wird bereits durch die frühe Verlagerung des Kurviertels aus dem alten Stadtzentrum in die freie Landschaft, der Vernetzung mit der umgebenden Landschaft und die Einbindung des Landschaftsraumes in das Stadtbild deutlich. Die Ideen der Aufklärung fanden ebenfalls Anklang bei der internationalen Kurgesellschaft und wurden insbesondere in der Lichtentaler Allee deutlich, die zu informellen Treffen einlud und zur sozialen Überbrückung ständischer Klassen beim Flanieren.

Romantik

In der Romantik in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Baden-Baden zunehmend zum Ziel für Schriftsteller, Maler und Musiker. Man begeisterte sich für einsame Waldtäler, rauschende Wasserfälle, verfallene Ruinen und mittelalterliche Sagen. Baden-Baden war in dieser Hinsicht ein geradezu idealtypischer Ort, denn hier waren die naturräumlichen und historischen Gegebenheiten zu einer grandiosen Kulisse verschmolzen.

Die Erschließung der umgebenden Kurlandschaft

Dies führte dazu, dass Baden-Baden um weitere Anziehungspunkte rund um die Stadt bereichert wurde. Neben den beliebten Ausflugszielen, den Burgruinen Hohenbaden, Alt-Eberstein und Yburg sowie dem Kloster Lichtenthal, entstand 1837 mit dem Aussichtsturm auf dem Merkurberg eine neue Sehenswürdigkeit. In den folgenden Jahrzehnten wurde auch das Netz der rund um Baden-Baden bestehenden Wanderwege verstärkt ausgebaut.

Nach den Besucherrückgängen aufgrund des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 sollten neue Sehenswürdigkeiten, die Attraktivität der Stadt erneut aufwerten. So wurden beispielsweise die beiden Felsformationen - die Teufels- und die Engelskanzel - durch Denkmale der Großherzogin Luise (Kreuz auf der Engelskanzel) von 1881 und des Kaisers Wilhelm I. (Gedenkstein auf der Teufelskanzel von 1886) in ihrer ohnehin hohen Bekanntheit weiter angehoben.

Bewegung in der Natur

Beginnend mit Wanderungen in der freien Natur, entwickelten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts neue Formen der körperlichen Ertüchtigung in der Natur. So entstand bereits 1881 Deutschlands erster Tennisplatz (Baden-Baden Rot-Weiß Tennis Club) auf der Lichtentaler Allee. Das Areal der heutigen Gönneranlage wurde seit 1889 als Fußballfeld genutzt, bevor es 1909-12 von Max Laeuger (1864-1952) in einen grünen Park mit monumentaler Fontäne, dem Josefinenbrunnen, umgestaltet wurde. Die künstlerische Ausgestaltung stammt von Max Laeuger und gilt als einer der gestalterisch hochwertigsten geometrischen Gärten des frühen 20. Jahrhunderts in Deutschland. Derselbe Künstler schuf 1921-25 das sogenannte „Paradies“, eine Wasserkunstanlage am Annaberg mit zentraler Kaskade, die den Wasserspielen der Renaissance nachempfunden ist. Mit der Eröffnung der Merkur-Standseilbahn im Jahr 1913 entstand kurz vor dem Ersten Weltkrieg ein technisches Highlight, welches bis heute eine besondere Attraktion der Stadt darstellt.

Innere und äußere Kurlandschaft

Die innerstädtische und umgebende Kur- und Erholungslandschaft müssen differenziert voneinander betrachtet werden, wenn auch die Übergänge der inneren und äußeren Kurlandschaft fließend sind. Die Lichtentaler Allee, der Kurgarten, die Gönneranlage und das Paradies stellen zentrale Elemente der Welterbebewerbung dar und sind doch nur Beispiele der vielfältigen Gärten und Parkanlagen Baden-Badens. Die innerstädtischen Grünanlagen sind Teil der nominierten Kernzone, während die umgebende Landschaft Teil der Pufferzone ist.

Die umgebende Kurlandschaft war mit ihren im 19. Jh. Angelegten, vom Kurzentrum und der von Stadt ausgehenden Fußpfaden ein wichtiger Bestandteil der damaligen Erholungslandschaft, der von den Kurgästen stark frequentiert wurde und sind somit vom Kurwesen des 19. Jahrhunderts und vom Siedlungstyp der Kurstadt untrennbar.

Ausblick

Die Gärten, Parks und Naturräume haben an Bedeutung für die Stadt nichts eingebüßt. Bürger und Gäste der Stadt erfreuen sich gleichermaßen an der Natur. Noch immer ist der enge Verbund der Stadt mit der Natur erlebbar und die malerischen Blickachsen in die bewaldete Landschaft eine Besonderheit Baden-Badens. Dies benötigt einen sensiblen und nachhaltigen Schutz der innerstädtischen und umgebenden Kurlandschaft. Wodurch die Bewahrung der visuellen und strukturellen Integrität der Landschaft ein wesentliches Schutzziel in Hinblick auf die Umgebung der nominierten Welterbestätte Baden-Baden ist.

10. Die Tradition der Bade- und Trinkkur in Baden-Baden

Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert von Menschen die in der Trinkhalle Thermalwasser trinken. Bild vergrößern
(c) Stadtmuseum/-archiv Die Trinkkur in der Trinkhalle versprach Heilung und gesellschaftliches Vergnügen, 1873

Heike Kronenwett, Leiterin des Stadtmuseums und Stadtarchivs befasst sich diese Woche mit der Bedeutung und der Geschichte der Bade- und Trinkkuren in Baden-Baden.

Die „Great Spa Towns of Europe“ sind Zeugnis der praktischen Nutzung und Erforschung von Heilquellen. Ihre Thermal- und Mineralquellen stellen daher eines der sechs Attribute dar, die die elf europäischen Städte auszeichnet. 

Thermalwasser

Eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung Baden-Badens ist einer Laune der Natur geschuldet: Am Südosthang des Florentinerberges tritt heißes Wasser in mehreren Quellen aus einer Tiefe von etwa 2000 Metern mit Temperaturen von bis zu 69° Celsius zutage. Die vorherrschenden Bestandteile, die dem Wasser einen leicht salzigen Geschmack verleihen, sind Natrium und Chlorid. Durch Untersuchungen des Chemikers Robert Bunsen wurde der Heilcharakter des Wassers in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch wissenschaftlich belegt.

In historischer Zeit ist die im Untergeschoss des Alten Dampfbades gefasste Ursprungsquelle mit einer Schüttung von 113 Kubikmetern am Tag die wichtigste und ergiebigste Hauptquelle des Thermalbezirks gewesen.

Bei der Umgestaltung des Bäderbezirks und dem Neubau des Friedrichsbades wurden 1868 – 1871 zwei verzweigte Stollensysteme angelegt, um die wichtigsten Thermalwasseraustritte zu fassen und die Schüttungsmenge zu steigern, die heute bei über 800 Kubikmeter Wasser täglich liegt.

Anwendungen im Laufe der Jahrhunderte

Das Heilwasser wurde zu Bade-, Inhalations- und Trinkkuren verwendet. Äußerlich fand es bei der Behandlung von Rheumaleiden, Herz- und Kreislaufbeschwerden sowie Stoffwechselstörungen und Atemwegserkrankungen Anwendung. Der therapeutische Nutzen der Trinkkur bestand vor allem in der direkten Wirkung des kochsalzhaltigen Mineralwassers auf die Schleimhäute des Verdauungstraktes. Sie wurde eingesetzt bei Leber- und Gallenleiden, Magen- und Darmerkrankungen, Diabetes und Gicht.

Die Thermalquellen veranlassten bereits die Römer, hier eine Siedlung zu gründen, deren Mittelpunkt ausgedehnte Badeanlagen bildeten. Auch der Name „Aquae“, mit dem deutschen „Bad“ gleichzusetzen, weist auf die Bedeutung der warmen Quellen hin. Nach dem Abzug der Römer liegt die Nutzung der heißen Quellen für einige Jahrhunderte im Dunkeln. Allerdings spricht die Tradition des Ortsnamens für einen weiteren Gebrauch.

„Bei meinem Aufenthalt in den Thermen von Baden-Baden und den dortigen Heilwassern vermag ich weder zu schreiben noch zu lesen.“ Johannes Reuchlin

Anwendung im Spätmittelalter

Im Spätmittelalter kamen Reisen in Bäder mit natürlichen warmen Quellen in Mode. Der Besuch der hiesigen Bäder war besonders bei Podagra (Fußgicht), Weißfluss sowie Magen- und Gebärmutterleiden angezeigt. Qualität und Wirkung des Baden-Badener Wassers werden in der balneologischen Literatur des 15. und 16. Jahrhunderts, unter anderem von Paracelsus, besonders hervorgehoben.

Die Namen der Badegäste lesen sich wie ein „Who’s who“ des Humanismus: Sebastian Brant, der Straßburger Münsterprediger Geiler von Kaysersberg oder Johannes Reuchlin machten hier ihre Badekur. Kaiser und Fürsten fanden sich zu Kuren hier ein. Die Gäste mieteten sich in einem der Badgasthöfe, zu denen auch das Baldreit gehörte, ein.

Um 1600 gab es in der Stadt über 400 Badezuber, die Platz für ein oder zwei Personen boten. Daneben existierten auf dem Marktplatz zwei öffentliche Bäder. Ein durchschnittlicher Badeaufenthalt dauerte drei bis sechs Wochen bei einer Badezeit von bis zu zehn Stunden täglich.

Anwendung im 17. und 18. Jahrhundert

Die Blütezeit des Badelebens fand jedoch mit der Zerstörung der Stadt 1689 ein jähes Ende. Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts führten neue medizinische Einsichten zu einer Neubewertung der Wasserqualitäten: Man orientierte sich jetzt zusehends an den im Wasser enthaltenen Mineralien. Allmählich setzten sich Trinkkuren durch und das reine Thermalbad verlor an Bedeutung.

Die Bestrebungen des badischen Staates und seines Chefarchitekten Friedrich Weinbrenner Baden-Baden zu einem zeitgemäßen Badeort auszubauen, begannen am Marktplatz und knüpften gezielt an die Antike an. So errichtete Weinbrenner 1803/04 eine Antiquitätenhalle, die drei Funktionen in sich vereinte: in der Mitte der Hauptraum, in dem antike Kunstdenkmäler aufgestellt waren, auf der linken Seite ein Trinkraum und rechts der Quellraum. Im Zuge der weiteren Entwicklung verlor der kleine Trinkraum seine Funktion an eine 1824 eigens errichtete Trinkhalle gegenüber dem heutigen Alten Dampfbad. Sie verband das Trinken des Heilwassers mit dem geschützten Flanieren. Die offene Halle war längs durch eine leichte Wand in eine Sonnen- und eine Schattenseite getrennt und ermöglichte Rundgänge.

„Man weiß, dass nichts so leicht bekannt werden lässt, wie das Begegnen am Brunnen.“ August Lewald

Bau des Konversationshauses 1821 - 1824

Mit dem Bau des Konversationshauses 1821 - 1824 verlagerte sich das Kurgeschehen von der Altstadt weg auf die andere Oosseite. Auch wenn der medizinische Aspekt neben Unterhaltung und Vergnügen in den Hintergrund trat, verschwand er nicht völlig. Die in Mode befindliche Trinkkur veranlasste die Kurgäste, sich in der stilvollen, 1839 - 1842 von Heinrich Hübsch errichteten Trinkhalle das Thermalwasser reichen zu lassen, das eigens über Rohre vom Schlossberg hierher geleitet wurde.

Im Gespräch mit anderen Gästen auf und ab zu wandeln, das Trinkglas in der Hand, wurde zum Sinnbild einer zeitgemäßen Kur. Eine Besonderheit war die Molkenkur, die im 18. Jahrhundert in der Schweiz aufgekommen war. Neben der Trinkhalle wurden den Kurgästen in der Sommersaison am frühen Morgen und am späten Nachmittag in einer Art Sennhütte frische Milch, Molken und Kefir von Kühen und Ziegen angeboten.

„Das neue Friedrichsbad ist ein sehr großes und schönes Gebäude, und in ihm kann man jedes Bad nehmen, das jemals erfunden wurde.“ Mark Twain

Wandel des internationalen Mode- und Gesellschaftsbades zu einem Kur- und Heilbad

Einen Bruch in der Entwicklung des Kurortes Baden-Baden bedeuteten der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 und das Verbot des Glücksspiels im Deutschen Reich 1872. Unter Einsatz enormer Finanzmittel gelang der Wandel des internationalen Mode- und Gesellschaftsbades zu einem Kur- und Heilbad. An der Stelle eines alten Stadtquartiers in unmittelbarer Nähe der warmen Quellen entstanden im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts moderne Badepaläste, die den neuen Anspruch in ihrer Architektur augenfällig zum Ausdruck brachten und das Stadtbild völlig veränderten.

Das 1877 eröffnete Friedrichsbad war der modernste Badepalast seiner Zeit und verfügte über ausgesprochen fortschrittliche therapeutische Einrichtungen. Das Angebot reichte vom Römisch-Irischen Bad mit Dampf-, Sprudel-, Tauch- und Bewegungsbad bis hin zu Kohlesäure-, Sauerstoff- und Luftperlbädern. Hinzu kamen Massagen, Kneipp-Anwendungen, Fango-Packungen und Heilgymnastik.

Die stetig wachsenden Besucherzahlen führten zum Bau eines weiteren Bades in unmittelbarer Nachbarschaft. 1893 wurde das Kaiserin-Augusta-Bad als reines Frauenbad eröffnet. Im Gegensatz zu den beiden Luxusbädern diente das 1890 eröffnete Landesbad als breiten Bevölkerungsschichten zugängliches Volksbad mit deutlich reduziertem Therapieprogramm und setzte damit die Tradition mittelalterlicher Armenbäder fort. In unmittelbarer Nähe entstanden zudem ein Inhalatorium zur Therapie von Atemwegserkrankungen und einige Jahre später ein spezielles Fangohaus.

„Great Spa Towns of Europe“ heute als moderne Gesundheits- und Wellness-Standorte

Nach etlichen Umbrüchen im 20. Jahrhundert, die auch das Gesundheits- und Kurwesen nicht verschonten, präsentieren sich Baden-Baden und die zehn anderen „Great Spa Towns of Europe“ heute als moderne Gesundheits- und Wellness-Standorte, die an klassische Kur- und Badetraditionen anknüpfen.

11. Die Gesellschaftskur des 19. Jahrhunderts

Gemälde: Gesellschaftliches Treiben vor dem Konversationshaus
(c) Stadtmuseum/-archiv Gesellschaftliches Treiben vor dem Konversationshaus, Carl Ludwig Frommel, “Das neue Konversationshaus”, ca. 1830.

Isabelle Mühlstädt von der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung gibt einen Einblick in die vielseitigen Vergnügungen einer Kurstadt des 19. Jahrhunderts.

„Baden! Den Vereinigungspunkt Europas im Sommer, die Stadt der Feste, den bezaubernden Aufenthalt aller Vergnügen. […] Hier waren jeden Abend prächtige Konzerte, Réunions, Bälle.“ – Eugène Guinot, Pariser Schriftsteller in seinem Reiseführer „L’été à Bade“

Die Kur des 19. Jahrhunderts diente nicht nur der Heilung von Krankheiten, sondern bot zahlreiche gesellschaftliche Vergnügen für die Kurgäste. In vielen Kurorten nahm die Zerstreuung und Muße gar eine vorrangige Rolle ein. Der russische Schriftsteller Nikolai W. Gogol schreibt 1836: „Es gibt hier niemanden, der ernsthaft krank wäre. Alle kommen nur hierher um sich zu amüsieren.“

Insbesondere die „Great Spa Towns of Europe“ galten als Metropolen der Geselligkeit. Sie entwickelten sich zum Treffpunkt für ein internationales Publikum aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen, wie dem Adel, Großbürgertum und Künstlern.

Baden-Baden galt für mehr als 50 Jahre als die „Sommerhauptstadt Europas“ und war in der Mitte des 19. Jahrhunderts besonders für ihre Gesellschaftskur bekannt, bei der Musik, Tanz und Glücksspiel im Vordergrund der Kur standen. Die Kursaison ging vom 10. Mai bis 31. Oktober. In dieser Zeit wurde Baden-Baden zum modischen Treffpunkt der europäischen Elite, ein Ort sommerlicher Vergnügen sowie Heiratsmarkt für heiratswillige Damen und Kavaliere.

Das neue Kurviertel wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts zum Unterhaltungsquartier, das sich an internationalen Maßstäben orientierte. Dies findet Ausdruck in den vielfältigen Gebäuden, die der Unterhaltung und Zerstreuung der Kurgesellschaft gewidmet waren.

Orte des Vergnügens

Das Herz einer jeden Kurstadt und gesellschaftliches Zentrum bildet das Kurhaus. Das nach Plänen des Großherzoglichen Baudirektors Friedrich Weinbrenner errichtete Kurhaus in Baden-Baden, ehemals Konversationshaus, wurde 1821 bis 1824 im neoklassizistischen Stil am Fuß des Friesenbergs errichtet. Es integriert das Promenadenhaus aus dem 18. Jahrhundert in seine Struktur, welches den stetig steigenden Ansprüchen der Kurgesellschaft schon bald nicht mehr genügte. Ab 1810 versuchte man zunächst das heutige Rathaus von Friedrich Weinbrenner in ein Konversationshaus umzuwandeln, doch auch diese Räumlichkeiten boten keinen angemessenen Rahmen.

Das neue Konversationshaus beherbergte ursprünglich Spielsalons, eine Bibliothek, einen Ballsaal, ein Restaurant und ein Theater. Die Bibliothek war mit internationaler Lektüre auf Deutsch, Französisch, Englisch sowie acht Zeitungen in verschiedenen Sprachen bestückt. In den hölzernen Boutiquen und später den steinernen Kolonnaden vor dem Kurhaus konnten die Kurgäste Luxuswaren, Kunsthandwerk und Galanteriewaren erstehen, im Kurpark flanieren und sich abends auf Kostümbällen, musikalischen Soireen oder bei Theateraufführungen amüsieren.

Das Spielebad Baden-Baden

Spielbanken entstanden nicht ausschließlich in Kurstädten, doch war das Glücksspiel in Kurstädten seit jeher ein sehr beliebter Zeitvertreib. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts befanden sich 22 der 24 Spielbanken in Kurorten. Das Glücksspiel in Baden-Baden wurde bereits 1801 konzessioniert, 1808 monopolisiert und fand ab 1824 im Kurhaus angemessene Räumlichkeiten. Zunächst übernahm der Franzose Antoine Chabert die Bewirtschaftung des Konversationshauses. Kurstädte wie Bad Ems und Baden-Baden profitierten von den Glücksspielverboten in vielen deutschen Ländern (1848) und in Frankreich (1837), was zu einem noch größeren Zulauf von Adeligen und gutverdienenden Kurgästen führte. Im Zuge des französischen Glücksspielverbots durch Louis Philippe kam der französische Unternehmer Jean Jaques Bénazet 1838 nach Baden-Baden und übernahm den Pachtvertrag für das Kurhaus und die Spielbankkonzession.

Das Casino war den ganzen Tag geöffnet, im Hauptsaal, dem heutigen Weinbrennersaal spielte man Roulette, damals „Hazard-Spiel“ genannt, und in den Nebenräumen Karten. Der Franzose Edmont About beschreibt das Glücksspiel in seinem 1858 publizierten Roman „Die Spielhölle in Baden-Baden“: „Seit man Kalifornien und Australien entdeckt hat, strömt uns das Gold massenhaft zu, so dass wir es nicht mehr bergen können. Es geniert uns und langweilt uns … Also was thun? Man geht ins Bad nach Baden und kommt geheilt zurück.“

1848 übernahm Sohn Edouard Oscar und die Familie Bénazet erhob sich zur Dynastie in Baden-Baden. In den kommenden zehn Jahren verdiente Edouard sich den Titel „Roi de Bade“. 1853 ließ er die prachtvollen Säle des Casinos vom Pariser Bühnenbildner und Innenarchitekten Charles Séchan entwerfen, in denen sich heute das Casino befindet.

Der Spielbetrieb sollte Baden-Baden bis zu seiner Schließung 1872 entscheidend prägen und internationaler Anziehungspunkt werden. Baden-Baden wird daher auch als sogenanntes Spielebad bezeichnet.

Mäzenatentum der Spielbankpächter

Die Spielbankpächter waren als Mäzene und Bauherren in vielen Kurstädten von großer Bedeutung für die Stadtökonomie. Die Familie Bénazet prägte die Glanzzeit Baden-Badens maßgeblich und setzte wichtige bauliche Impulse für Baden-Badens Aufstieg zur internationalen Kurstadt. Jean Jaques Bénazet ließ mit den Einnahmen aus dem Spielbetrieb 1839 bis 1842 eine zweite Trinkhalle von Heinrich Hübsch im neuen Kurviertel errichten und förderte die Bahnverbindung der Stadt.

Edouard Bénazet finanzierte 1860 ein neues Theater, das von den Pariser Architekten Charles Derchy und Charles Couteau entworfen wurde. Es bot einen angemessenen Rahmen für die herausragenden musikalischen Veranstaltungen, Theaterstücke und Tanzinszenierungen international renommierter Künstler, die ebenfalls den Musikpavillon und die Räumlichkeiten des Konversationshauses nutzten. 1858 erhielt Baden-Baden eine weitere Attraktion, indem Edouard eine Pferderennbahn außerhalb der Stadt in Iffezheim errichten ließ.

Öffnung der Ständegesellschaft

Auf die Kurgäste wartete in Baden-Baden eine vielseitige Vergnügungslandschaft und ermöglichte eine Flucht vor der gesellschaftlichen Enge des 19. Jahrhunderts. Bei so manchem Tanz im Kurhaus oder informeller Begegnung in den Hotels und Kurgärten verwischte die strenge Trennung zwischen den Ständen.

Das Konversationshaus und mehr und mehr die gesamte Stadt sowie ihre reizvolle Umgebung boten den Rahmen für das vielseitige gesellschaftliche Vergnügen. Insbesondere das weltberühmte Casino war und ist noch heute Anziehungspunkt für viele internationale Gäste und steht für Baden-Badens besonderen Beitrag zur Welterbenominierung der „Great Spa Towns of Europe“.

12. Baden-Baden – Wo die Welt zu Hause ist

Hotel "Europäischer Hof", 1890Bild vergrößern
(c) Stadtmuseum/- archiv Blick auf den Europäischen Hof vom Kurpark, vor dem malerischen Hintergrund der umliegenden Berge. Umschlagrückseite der Werbebroschüre „Frühlings-Blätter aus Baden-Baden“, 1894.

In dieser Woche widmet sich Smriti Pant, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung, der Kulturgeschichte des Tourismus in Baden-Baden und ihrem Einfluss auf die städtebauliche Entwicklung der Bäderstadt.

„Am heitersten lebt sich’s während des Sommers in Baden-Baden. Es ist die Datscha ganz Europas. Aus Paris, aus England, aus Spanien, aus Petersberg strömen für den Sommer die Menschen herbei, keineswegs um sich kurieren zu lassen, sondern um recht lustig und mit allerlei Kurzweil die Zeit zu verbringen.“ Nicolai Gogol (1836).

Das Zeitalter der Aufklärung

Das Zeitalter der Aufklärung führte zu einem neuen Verständnis von Natur und Kunst, zur Änderung von Freizeitverhalten sowie zur Verbürgerlichung der europäischen Gesellschaft. Für die Umsetzung der fortschrittlichen Ideen in Folge der Aufklärung waren Baden-Baden und weitere internationale Kurstädte Experimentierfelder.

Nach der Wahl Baden-Badens 1805 als Sommerresidenz des damaligen badischen Kurfürsten Karl Friedrich, wuchs die jährliche Zahl der hierher reisenden Gäste ab 1806 kontinuierlich an. Zur Mitte des Jahrhunderts waren es 40.000, am Ende des 19. Jahrhunderts bereits über 70.000 Gäste, die die Stadt besuchten. Zu diesem Wachstum trugen maßgeblich neue Formen von Begegnungsorten und Kommunikationsräumen bei, die sich in der Bäderstadt entwickelten. Hierzu zählten das im Jahr 1824 errichtete neue Konversationshaus, die 1838 an Jean Jacques Bénazet verpachtete Spielbank und ab 1858 die Galopprennbahn in Iffezheim.

Neben den balneotherapeutischen Anwendungen entwickelten sich im 19. Jahrhundert vielfältige Unterhaltungs- und Freizeitmöglichkeiten in und um Baden-Baden, die zur Etablierung als internationales Mode- und Gesellschaftsbad führten. Baden-Baden wurde wahlweise als „Queen of the Spas“ oder als „Capitale d'été“ (Sommerhauptstadt Europas) bekannt. So kamen Gäste nicht nur nach Baden-Baden, um die heilenden Wirkung der Thermalquellen zu erfahren, sondern auch als Touristen.

Wichtigste Anlaufstelle für Tourismus in Europa

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden neben den Gästen aus Deutschland Reisende aus Frankreich, Großbritannien, Russland, Amerika, der Schweiz und den Niederlanden die wichtigsten Besuchergruppen. Somit waren die internationalen europäischen Kurstädte nicht nur Orte des Bädertourismus. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden sie neben den Großstädten mit ihrer fremdenfreundlichen Infrastruktur für Touristen die wichtigsten Anlaufstellen in Europa. Sie wurden Pioniere des aufkommenden modernen Tourismus.

Die Entwicklung des internationalen Tourismus in Baden-Baden schlug sich in der städtebaulichen Entwicklung der Kurstadt nieder und trug zur Besonderheit des Siedlungstyps „europäische Kurstadt“ bei. Die Wechselwirkung zwischen Stadtform und -bild sowie der Anzahl und Internationalität des Gästeaufkommens ist in der Kurstadt bis heute sehr gut erkennbar. Bereits in den Jahren nach 1807 wurde das ehemalige Kapuzinerkloster am nordwestlichen Ende der Lichtentaler Allee nach den Plänen von Friedrich Weinbrenner zum Badischen Hof umgebaut.

Das „Badhotel“ war nicht nur das erste von vielen weiteren Hotels, die in unmittelbarer Nähe des Konversationshauses entstanden, sondern auch das erste Palast-Hotel Deutschlands. Die Hotels der Kurstadt sind nicht nur wesentliche Bestandteile der Bau- und Kulturgeschichte Baden-Badens. Ihre Benennung, die sich häufig am Herkunftsland der erwarteten Gästen orientierte, stellt auch die Internationalität der Sommerhauptstadt Europas unter Beweis. Beispiele sind der Englische, Russische, Französische oder der Schweizer Hof.

In der Kurstadt trugen auch die Villen zur wachsenden Beherberhungsinfrastruktur bei. Während der Saison wurden sie komplett, geschoss- oder wohnungsweise vermietet. Hinzu kamen die Dependancen der Hotels. Letztere waren kleinere Villen, über die die hochangesehenen Kurhotels wie das Maison Messmer südlich des Kurhauses, verfügten. Die Dependancen boten exklusive und private Unterbringung für länger verweilende Gäste an. Daher listeten im 19. und 20. Jahrhundert die Unterkunftsverzeichnisse Baden-Badener Stadtführer die Villen genauso wie Hotels namentlich auf.

Breites Spektrum an Freizeitaktivitäten

Neben dem Glücksspiel und den Pferderennen stand im 19. Jahrhundert ein breites Spektrum an Freizeitaktivitäten als touristisches Angebot zur Verfügung, das bis heute besteht. Seien es die Konzerte und Bälle im Konversationshaus, die Aufführungen im Theater (errichtet von 1860 bis 1862) oder das Flanieren entlang der Lichtentaler Allee. Die reizvolle Lage Baden-Badens mit der umgebenden Kur- und Erholungslandschaft bot schon damals reichliche Wander- und Ausflugsmöglichkeiten an. Sehenswürdigkeiten wie das Alte Schloss, die Burgruine Alt-Eberstein und die im Rebland gelegene Yburg zogen viele Gäste an.

Auch Naturdenkmale und Naturschauspiele wie die schroffen Felstürme des „Battert“, der Merkurberg und der Geroldsauer Wasserfall waren wesentliche Bestandteile des gesamttouristischen Angebots und genießen bis heute größte Beliebtheit. Kaiser, Königinnen, Politiker, Komponisten, Maler und Schriftsteller – wer ist nicht alles in Baden-Baden gewesen? Die Fremdenlisten belegen die Besuche unter anderem von Kaiser Wilhelm I., Queen Victoria, Benjamin Disraeli (britischer Politiker), Nasr-ed-Din (Schah von Persien); Gioachino Rossini, Eugène Delacroix oder Nicolai Gogol. Und wer kennt nicht die humorvollen Reisebeschreibungen des amerikanischen Schriftstellers Mark Twain?

Kriege und Wirtschaftskrisen hemmten die touristische Entwicklung

Die Kriege und Wirtschaftskrisen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hemmten auch die touristische Entwicklung Baden-Badens, auch wenn die Stadt 1935 erstmals mehr als 100.000 Besucher hatte verzeichnen können. Erst gegen Ende der 1970er Jahre zeigte sich eine deutlich ansteigende Tendenz, und ausgangs der 1980er Jahre erreichte die Anzahl der Gäste wieder das Vorkriegsniveau. Seitdem sind die deutschen wie internationalen Gäste Baden-Baden treu geblieben, so dass die Gästestatistik für das Jahr 2019 eine Anzahl von 1,13 Millionen Übernachtungen aufweist.

„Belle Époque meets the Age of Instagram“, so schrieb Stuart Emmrich 2017 über Baden-Baden in „The New York Times”. Denn in der Bäder- und Kulturstadt trifft eine große Vergangenheit auf eine neue Lebenskultur. Und darin liegt bis heute die besondere Anziehungskraft der kleinsten Weltstadt der Welt. Auch wenn die aktuelle Situation den weltweiten Tourismus vor nie erwartete Herausforderungen stellt, darf man dennoch optimistisch in die Zukunft blicken, denn Baden-Badens außergewöhnliche Strahlkraft ist und bleibt ungebrochen.

13. Die historischen Villengebiete in Baden-Baden

Die Villa Schriever in der Lichtentaler Allee.Bild vergrößern
(c) Planungsgruppe Darmstadt Villa Schriever (Lichtentaler Allee 74) – Idealbild einer Villa in freier Landschaft.

In dieser Woche befassen sich Karin und Ulf Begher, Stadtplaner vom Büro Planungsgruppe Darmstadt, mit den historischen Villengebieten in Baden-Baden. Als Experten für die Baden-Badener Villengebiete stehen sie der Stadt oft beratend zur Seite.

Die Villengebiete bilden neben den Kurgebäuden und dem Kurpark einen wesentlichen Bestandteil der europäischen Kurstadt des 19. Jahrhunderts. Insbesondere die elf „Great Spa Towns of Europe“ weisen noch heute ausgedehnte Villengebiete mit einer Vielfalt qualitätvoller Architektur auf.

Villengebiete sind Ausdruck und Folge des zu Beginn des 19. Jahrhunderts veränderten Empfindens gegenüber der Natur: Mit der Villa und den Villengebieten wurde der Stadtkörper zur freien Landschaft hin geöffnet und auch die Entwicklung zum „Wohnen im Grünen“ eingeleitet.

Durch die Verlagerung und den systematischen Ausbau des neuen Kurgebiets westlich der Oos und der Ausgestaltung der Oosauen zum Landschaftspark wurde - zunächst für die Kuranlagen - die Natur in die Stadt einbezogen. Baden-Baden wurde ein mondäner Kurort, der internationales Publikum anzog. Das saisonale Publikum verlangte bald nach privaten Beherbergungsmöglichkeiten an exklusiven Standorten, die ebenso in freier Natur liegen sollten.

Dazu bot sich die Wohnform der Villa an. In einer Villa zu wohnen bedeutete, nicht in einem Stadthaus innerhalb der Stadt zu leben, sondern in der freien Landschaft. Zu jeder Villa gehörte die Natur in Form des Englischen Landschaftspark als gestaltete Naturlandschaft. Villen waren auch herrschaftliche Anwesen, sie konnten repräsentativ gestaltet werden und genügend Platz für große Familien und Personal bieten.

Villengebiet Beutig-Quettig

Die ersten Villen in Baden-Baden entstanden 1818 an den Hanglagen des Friesenbergs. Nach und nach dehnte sich die Villenbebauung - ohne einen übergreifenden Erschließungsplan - über die Hänge von Beutig-Quettig aus.

Die Villen waren zuerst Mietvillen als luxuriöser Wohnsitz der regelmäßig wiederkehrenden Gäste. Mit dem Erfolg der Kurstadt ließ sich auch zunehmend eine gehobene Klientel mit entsprechendem Einkommen dauerhaft nieder. So bot das Villengebiet Beutig-Quettig bald die repräsentative Kulisse für das internationale Gesellschaftsleben des Adels und des höheren Bürgertums.

Die ersten Villen oder Landhäuser wurden oberhalb der Kuranlagen an der heutigen Kaiser-Wilhelm-Straße noch im Stil des Klassizismus errichtet. Die Mehrzahl der Villen entstand erst ab 1870 in der Architektursprache des Historismus, errichtet von internationalen Architekten. Und so finden sich hier Villen im neoromantischen Stil (Schloss Solms), im Stil der Neorenaissance und des Neobarocks und in der betont repräsentativen Formensprache des wilhelminischen Stils (Villa Sirius).

Das Villengebiet Beutig-Quettig spiegelt heute sehr authentisch das Idealbild der Villenlandschaft des 19. Jahrhunderts wieder. Das Gebiet mit den geschwungenen Straßenführungen, den teilweise sehr großen Villengrundstücken und den unterschiedlichen Villen aus verschiedenen Bauepochen dokumentiert die Idee einer mit der Landschaft verbundenen Villenlandschaft.

Protestantische Neustadt

Das Villengebiet der Protestantischen Neustadt („Lichtentaler Vorstadt“) wurde ab 1860 in völlig anderer Form entwickelt. Nach den städtebaulichen Prinzipien der Gründerzeit wurde auf dem ebenen Gelände ein strenger geometrischer Stadtgrundriss angelegt. Die Reihen der Villen bilden geschlossene Straßenräume, betont durch deren alleeartige Gestaltung. Die evangelische Stadtkirche am Augustaplatz steht als Solitär und bildet den Achsenblickpunkt des Viertels. Der Großteil der Villen wurde in den 1870er und 1880er Jahren errichtet. So ist hier ein hochwertiges geschlossenes gründerzeitliches Villenquartier als eine weitere Wohnform der Kurstadt des 19. Jahrhunderts erhalten.

Villengebiet Annaberg

Für das Villengebiet Annaberg wurde um 1902/03 ein umfassender Bebauungsplan aufgestellt mit dem Ziel, das Gebiet als Wohngebiet gehobenen Charakters mit den dazugehörigen öffentlichen Grün- und Parkflächen zu erschließen. Hierbei standen die städtebaulichen Ideen der Gartenstadt Pate. Mit der 1922 bis 1925 nach Plänen Max Laeugers geschaffenen Wasserkunstanlage „Paradies“ erhielt das Gebiet zudem eine bedeutende Garten- und Wohnanlage und dadurch eine exklusive städtebauliche Qualität.

Die historische Bebauung ist geprägt durch Landhäuser im Stil der Reformarchitektur (zum Beispiel Villa Fieser des Architekten Riemerschmidt) und von Wohnhäusern im Stil der „gemäßigten Moderne“ aus den 1920- und 1930er Jahren.

Das Villengebiet ist als gehobenes Wohnviertel des beginnenden 20. Jahrhunderts ein wichtiger Bestandteil der historischen Stadtlandschaft der Kurstadt. Erhalten ist ein Villengebiet mit einem flächendeckenden Repräsentationscharakter sowie einer engen Verzahnung mit der freien Landschaft. Die städtebauliche Idee der mondänen Kurstadt des 19. Jahrhunderts wurde hier fortgeführt und an die gesellschaftlichen Veränderungen des 20. Jahrhunderts angepasst.

Leitbild für die bauliche Gestaltung („Baufibel“)

Die historischen Villengebiete bilden einen wesentlichen Bestandteil der Kurstadt des 19. Jahrhunderts, daher sind diese Gebiete Bestandteil der Kernzone des Welterbeantrags. Mit der Aufnahme in die Welterbeliste ist auch die Verpflichtung verbunden, die Welterbestätte zu schützen, zu erhalten, an die kommenden Generationen weiterzugeben und der Öffentlichkeit zu vermitteln. Das Baugeschehen ab den 1960er Jahren hat teilweise Störungen im Erscheinungsbild der historischen Villengebiete hinterlassen, auch daher sind Schritte zum Schutz dieser Gebiete notwendig.

Als eine Maßnahme zum Erhalt und zum Schutz wurde ein „Leitbild für die bauliche Gestaltung“ der historischen Villengebiete Baden-Baden erstellt. Dieses Leitbild („Baufibel“) wurde vom Gemeinderat der Stadt Baden-Baden im Juli 2019 beschlossen. Ziel des Leitbildes ist es, die städtebaulichen und gestalterischen Qualitäten der historischen Villengebiete zu erhalten, zu bewahren und weiter zu entwickeln. Das Leitbild soll dazu beitragen, die prägenden baulichen Formen und Gestaltungsmerkmale der historischen Villen bei Neubau, Umbau und Sanierung von Gebäuden und Gartenanlagen zu respektieren und bei der zukünftigen Gestaltung der Baumaßnahmen zu Grunde zu legen. In dem Gestaltungsleitbild werden Empfehlungen zur Gestaltung der Gebäude (zum Beispiel Fassadengestalt und Dachform), der Freiflächen und der Einfriedungen dargelegt.

Als weitere Maßnahmen zum Erhalt und zum Schutz der historischen Villengebiete ist beabsichtigt, dieses „Leitbild für die bauliche Gestaltung“ in einer Gestaltungssatzung als verbindliches Recht zu formulieren. Die Zielsetzung, die einzigartige Gesamtstruktur der historischen Villengebiete zu erhalten, ist auch unabhängig von dem Welterbeantrag eine wesentliche städtebauliche Aufgabe und stellt eine ständige Herausforderung dar.

14. Internationalität und religiöse Vielfalt

Die Russisch-orthodoxe Kirche.Bild vergrößern
(c) Torben Beeg Die Russisch-orthodoxe Kirche - lebendiges Erbe der kulturellen Vielfalt Baden-Badens.

In dieser Woche beleuchtet Isabelle Mühlstädt von der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung die vielfältigen Konfessionen und ihr Erbe, die in Baden-Baden, als internationale Kurstadt vertreten waren und es noch heute sind.

Was macht die Atmosphäre einer internationalen Kurstadt aus? Das sind natürlich die internationalen Gäste und Bewohner unterschiedlichster Konfessionen und ein reiches kulturelles Angebot, doch steckt in all dem der Gedanke der interkulturellen Toleranz.

Die Gäste und Zugezogenen des 19. Jahrhunderts genossen nicht nur gemeinsam die Vorzüge einer Kurstadt, sondern tauschten auch Gedanken und Ideen der Aufklärung aus. In Baden-Baden und den „Great Spa Towns of Europe“ herrschte eine Atmosphäre, in der die starre Trennung zwischen den Klassen und Geschlechtern sich lockerte und Religionsfreiheit und mehr Gleichberechtigung praktiziert wurden.

Diese kosmopolitische Atmosphäre drückt sich am besten in der Vielzahl an Kirchen und Kapellen unterschiedlichster Konfessionen aus. Viele Dauergäste wurden zu Bewohnern mit Hauptwohnsitz in Baden-Baden. Mit den wachsenden ausländischen Gemeinden entstand das Bedürfnis nach eigenen Gotteshäusern, die ihre Existenz meist ausländischen Mäzenen verdanken.

Anglikanische Kirche

Eine Anglikanische Gemeinde gründete sich bereits 1833 in Baden-Baden. In den darauffolgenden Jahren fand in der katholischen Stiftskirche Gottesdienste durch englische Reverends statt. Bereits 1853 war die Anglikanische Gemeinde so stark angewachsen, dass der Wunsch nach einer eigenen Kirche entstand. Der Bau einer Anglikanischen Kirche folgte 1864 bis 1867 durch den Londoner Architekten Henry Wyatt. Die “All Saints Church” wurde durch Spenden der anglikanischen Kurgäste mit Unterstützung des deutschen Kaiserpaars und der englischen Königin Victoria finanziert. Stilistisch orientierte sich der Kirchenbau an englisch-normannischen Bauten. Wenige Ausstattungsstücke aus der Bauzeit sind erhalten. Die kunstvollen Glasmalereien der Firma Mayer & Co. aus München haben sich jedoch erhalten. Auch einige Grabdenkmäler der Stifter sind an der Westwand der Kirche erhalten geblieben. 1938 fanden die letzten anglikanischen Gottesdienste statt und die Kirche wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von der protestantischen lutherischen Kirchengemeinde genutzt.

Russisch-orthodoxe Kirche

Für Zarin Elisabeth von Russland, vormals Prinzessin Luise von Baden, wurde ab 1815 eine orthodoxe Kapelle im Neuen Schloss eingerichtet. Nach der Hochzeit von Prinz Wilhelm von Baden mit der Nichte von Zar Alexander II Maria Maximilianowna 1863 entstand in Baden-Baden eine russische Enklave. Auf Betreiben von Prinzessin Maria Maximilianowna stellte Baden-Baden ein Grundstück für den Bau einer Russisch-orthodoxen Kirche zur Verfügung. Die Mittel für den Bau stellten die zahlreichen russischen Kurgäste zur Verfügung. Die Pläne für eine kleine russisch-orthodoxe Kirche kamen von Iwan Strom, Professor an der Akademie der Künste in St. Petersburg. Die Kirche ist dem Fest der „Verklärung des Herrn“ geweiht. Der Sandsteinbau wird von einer vergoldeten zwiebelförmigen Kuppel und dem Doppelkreuz bekrönt. Auch Teile der Ausstattung gehen auf internationale Gäste und Künstler zurück. Entworfen wurde die Ausstattung von Fürst Grigorij Gagarin, dem Vizepräsidenten der Akademie der Künste in St. Petersburg während seines Aufenthalts in Baden-Baden. Das Giebelmosaik wurde von Antonio Saliati aus Venedig ausgeführt, die Fresken stammen von Franz Anton Schwarzmann aus München. Noch heute dient die russisch-orthodoxe Kirche “Verklärung Christi” der russisch-orthodoxen Gemeinde Baden-Badens.

Stourdza Kapelle

Die rumänisch-orthodoxe Stourdza-Kapelle am Michaelsberg wurde 1864 bis 1866 vom Münchener Architekten Leo von Klenze entworfen. Die Kapelle und Familienkrypta entstand im Auftrag von Mihail Stourdza (1795-1884), Prinz von Moldawien, der diese im Andenken an seinen früh verstorbenen Sohn spendete. Stilistisch ist die Stourdza-Kapelle am Stil der Renaissance orientiert. Darüber hinaus hat Klenze auch orthodoxe und nationale rumänische Schmuckformen eingefügt. Mit der Bauausführung war Klenzes Schüler Georg von Dollmann betraut. Totenmessen und Gottesdienste werden bis heute in der Kapelle gehalten und sind ein weiteres Zeugnis des lebendigen immateriellen Erbes der Stadt.

Auch auf den Baden-Badener Friedhöfen finden sich zahlreiche Grabsteine und Gräber wichtiger Persönlichkeiten unterschiedlicher Konfessionen, wie Ilarion Sergejewitsch Wassiltschikoff, Dietrich von Choltitz, Vasilij von Shukovskij, Archibald White, Marchese Philippi Ala Ponzoni, Alfred und Kurt Brenner, Adolpha Le Beau und Georg von Groddeck charakterisiert.

Synagoge

Die jüdische Gemeinde im 19. Jahrhundert in Baden-Baden war eher klein. Ein erster Betsaal war im Gasthaus Baldreit im Jahr 1867 eingerichtet worden. Eine Synagoge wurde in Baden-Baden verhältnismäßig spät errichtet in den Jahren 1898 bis 1899. Sie befand sich an der Ecke Scheinstraße/Stephanienstraße. Die Pläne lieferte Ludwig Levy, der auch zahlreiche weitere Synagogen gebaut hat. Um eine Verwechslung mit der russischen Kirche zu vermeiden und um einen nationalen Anspruch hervorzuheben, entschied man sich für neoromanische Formen. Obgleich die wenigen jüdischen Familien in Baden-Baden zur Bauzeit der neuen Synagoge eher liberal eingestellt waren, entschied man sich mit Rücksicht auf die jüdischen Kurgäste für einen eher orthodoxen Ritus.

Doch die Atmosphäre der Toleranz und die Religionsfreiheit nahm im 20. Jahrhundert eine tragische Wendung. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde Baden-Baden trotz der seit den 1920er Jahren stetig sinkenden Besucherzahlen als „Kur- und Badeort von Weltruf“ tituliert. Als Aushängeschild vor den Augen der Weltöffentlichkeit durfte in Deutschland 1933 allein Baden-Baden wieder das Kasino öffnen und wird in den ersten Jahren der Rassenverfolgung als vom Ausland besuchter und beobachteter Platz gar zu einem Refugium für Juden. Dieser Schutz erwies sich in den folgenden Jahren als trügerisch. 1937 wurden Schilder mit „Juden unerwünscht“ vor den Bädern und anderen Kureinrichtungen angebracht. Es folgte am 10. November während der Novemberpogrome die Zerstörung der Baden-Badener Synagoge sowie die massenhafte Deportation von Juden ab 1940.

Die „Great Spa Towns of Europe“ reflektierten im 19. Jahrhundert das Klima der Aufklärung. Die Internationalität und weltoffene Haltung zeigte sich in Baden-Baden besonders auch in der Vielfalt an Konfessionen die miteinander lebten. Die Sakralbauten sind bis auf die Synagoge erhalten und werden bis heute von Religionsgemeinschaften genutzt. Sie sind ein maßgeblicher Ausdruck des religiösen und kulturellen Lebens in den bedeutenden Kurstädten des 19. Jahrhunderts.

Mit dem außergewöhnlichen reichen Erbe des 19. Jahrhunderts als weltberühmte Kurstadt und ihrer Toleranz Andersdenkenden gegenüber, besitzt Baden-Baden eine besondere Verantwortung, dass die Gräueltaten und Verbrechen des Nationalsozialismus nicht vergessen werden.

15. Tag des offenen Denkmals

Das Fürstenbergdenkmal.Bild vergrößern
(c) Bernd Hausner / Landesamt für Denkmalpflege Die Restaurierungsarbeiten am Fürstenbergdenkmal werden im Film „Wissensquelle Denkmal: Historische Handwerkstechniken im 21. Jahrhundert“ erläutert.

In dieser Woche beschreiben Denise Beilharz und Grit Koltermann vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg sowie Lisa Poetschki von der Stadt Baden-Baden die Bedeutung des Tages des offenen Denkmals.

Auch in Zukunft werden innovative und insbesondere nachhaltige Ideen und Wege zur Bewältigung anstehender gesellschaftlicher, politischer, wirtschaftlicher und sozialer Herausforderungen benötigt. Am diesjährigen Tag des offenen Denkmals 2020 steht das Denkmal als Chance für eine nachhaltige Zukunft im Zentrum: Was kann ein Denkmal alles leisten und wo kann es als Innovationsmotor dienen?

„Chance Denkmal: Erinnern. Erhalten. Neu denken“

Seit 1993 wird der Tag des offenen Denkmals bundesweit durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz koordiniert, um die Initiativen von Menschen, die sich im Jahresverlauf tatkräftig für den Erhalt von Denkmalen, als Eigentümer, Architekten und Handwerker, Fachleute oder Förderer engagieren, zu unterstützen. Einmal im Jahr rückt dieses Engagement beim Tag des offenen Denkmals in den Fokus. Thema des diesjährigen Tages des offenen Denkmals lautet „Chance Denkmal: Erinnern. Erhalten. Neu denken“.

In diesem Jahr findet diese bundesweite Veranstaltung zum 28. Mal statt. Das Corona Virus macht auch vor diesem großen Kulturevent für die Denkmalpflege nicht Halt und fordert die Einhaltung von Sicherheitsstandards, die bei Führungen oder Besichtigungen nicht immer eingehalten werden könnten. Die Veranstalter werden daher weitgehend auf digitale Plattformen setzen, um Denkmale bestaunen, ihre Bedeutung erfahren und erleben zu können (www.tag-des-offenen-denkmals.de). Mit dieser innovativen Form der Vermittlung können nun viele Menschen auch barrierefrei Denkmale kennenlernen und sich auf eine virtuelle Reise durch eine faszinierende Denkmallandschaft begeben.

Auch in Baden-Württemberg vieles zu entdecken

Und auch in Baden-Württemberg gibt es vieles zu entdecken: Das Land verfügt über eine überaus reiche Denkmallandschaft. Die Landesdenkmalpflege Baden-Württemberg präsentiert die Denkmale in diesem Jahr ebenfalls digital. Viele neue Ideen und sogar eine Videochallenge sind in ein attraktives Denkmalprogramm eingeflossen, das über www.denkmalpflege-bw.de/denkmale/tag-des-offenen-denkmals/ abrufbar ist.

Im Zuge des digitalen Tages des offenen Denkmals ist eine virtuelle Denkmalkarte entstanden. Auf dieser lassen sich zahlreiche, informative Filme und Videoclips zu Monumenten der Bau- und Kunstdenkmalpflege sowie der archäologischen Denkmalpflege in ganz Baden-Württemberg abrufen. Die Stationen der diesjährigen Denkmalreise von Katrin Schütz, Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg, sind hier als Videoclips verortet; aber auch 3-D-Modelle, von den eiszeitlichen Höhlen auf der Schwäbischen Alb – eine der sechs UNESCO-Welterbestätte in Baden-Württemberg – bis zu Kirchenbauten der 1960er und 1970er Jahre.

Auch die Eröffnung des diesjährigen Tags des offenen Denkmals trägt den digitalen Formaten Rechnung und wird am Samstag, den 12. September 2020, ab 17.30 Uhr im Live Stream ausgestrahlt (http://www.bit.ly/DenkmaleKarlsruhe). Staatssekretärin Schütz, Dr. Frank Mentrup, Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe, und Professor Claus Wolf, Präsident des Landesamts für Denkmalpflege, sind im Gespräch über Anliegen von Denkmalschutz und -pflege und beantworten Fragen aus dem Publikum. Außerdem werden die Gewinner der Videochallenge „DenkMal kreativ!“ bekannt gegeben.

Baden-Baden ist von Kulturdenkmalen geprägt

Auch Baden-Baden ist von seinen Kulturdenkmalen geprägt, die an die Geschichte erinnern und essentiell für den Fortbestand des kulturellen Erbes sind. Durch den sorgfältigen Umgang mit ihnen trägt jeder zu einem lebendigen Stadtbild im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne bei. Doch was heißt etwa Nachhaltigkeit in Bezug auf die Denkmalpflege? Die Stadt möchte am Tag des offenen Denkmals zeigen, wie nachhaltig die Denkmalpflege denkt, agiert und wirkt.

Baden-Baden ist mit seinen 1500 Kulturdenkmalen sowie der denkmalgeschützten Innenstadt seit jeher Partnerin des Tages des offenen Denkmals und hat in den vergangenen Jahren mit großem Engagement viele Menschen an die kulturellen Werte der Stadt herangeführt. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist auch die besondere Wertschätzung für das bauliche Erbe weit verbreitet, was nicht zuletzt auch zu der großen Unterstützung des Welterbenantrags führt. In diesem Jahr verknüpfen sich die beiden für Baden-Baden wichtigen zukunftsweisenden Projekte zum kulturellen Erbe auf das Engste. Mit den „Great Spa Towns of Europe“ steht das außergewöhnliche bauliche und kulturelle Erbe Baden-Badens vor der Entscheidung zur Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste: Und dies nicht nur, weil sich im Stadtbild Baden-Badens so zahlreiche denkmalgeschützte Gebäude und Parks erhalten haben, sondern auch aus einem anderen Grunde. Kurstädte bieten seit jeher Raum für innovative und gar revolutionäre Ideen. Seit dem späten 18. Jahrhundert sind sie internationale Treffpunkte für Künstler, Wissenschaftler und Andersdenker. So fanden unter anderem die Gedanken und Ideale der Aufklärungen in diesen Städten besonderen Anklang. Diese Tradition des Neudenkens ist wesentlicher Bestandsteil des „Great Spa Towns of Europe“ UNESCO-Welterbeantrags und wird in diesem Jahr beim Tag des offenen Denkmals wiederum herausgefordert.

Programm

Das diesjährige Programm wurde in der örtlichen Presse bereits vorgestellt, von daher soll hier nur auf die wesentlichen Programmpunkte hingewiesen werden:

  1. Ein digitaler Teil. Dazu zählen 360-Grad-Rundgänge durch bekannte wie weniger bekannte Kulturdenkmäler wie das Kurhaus, das Theater oder das Foyer vom Schloss Solms. In einem Filmbeitrag wird die spannende Geschichte des Brahmshauses erzählt. In einem weiteren Filmbeitrag „Ritter und Rose. Auf den Spuren der Ebersteiner“ spricht Oberbürgermeisterin Margret Mergen mit der Expertin Dr. Cornelia Renger-Zorn über die lange Geschichte der Burg Alt Eberstein. Ein besonderes Filmprojekt stellt die Eigenproduktion „Wissensquelle Denkmal: Traditionelle Handwerkstechniken im 21. Jahrhundert“ dar. Drei in Baden-Baden tätige Handwerker (Steinmetz, Holzrestaurator, Glasmaler) geben Antwort auf die Fragen, welche Relevanz traditionelle Handwerkstechniken im 21. Jahrhundert besitzen und was man in Bezug auf Nachhaltigkeit von ihnen lernen kann.
  2. Ein analoger Teil. Trotz der Corona-bedingten Einschränkungen können einige Veranstaltungen am Tag des offenen Denkmals angeboten werden. Es gelten alle aktuellen Vorgaben zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Programm: Eröffnung und ganztägige Information zum Welterbeantrag am Welterbewürfel auf dem Leopoldsplatz; Führungen auf der denkmalgeschützten Fieserbrücke unter anderem zur Sanierung der Brückenköpfe von Max Laeuger; Max Ruhbaum am und nicht im Museum; Stadtführungen „Auf dem Weg zum Welterbe“; Führung über den Hauptfriedhof mit Besichtigung der Friedhofskapelle; Öffentlicher Gottesdienst, Besichtigung der Restaurierungsarbeiten und Führung durch die historische Stourdza-Kapelle; Brahmshausbesichtigung; Führung durch die Wasserkunst Paradies.

Hier geht es zum Programm

16. Komponisten und Künstler in Baden-Baden

Matinée in der Orgelhalle von Pauline Viardot-García im Jahr 1865. Zu Gast waren die Schriftsteller Iwan Turgenew und Theodor Storm sowie Wilhelm I. König von Preußen und Otto von Bismarck.Bild vergrößern
(c) Stadtmuseum und -archiv Matinée in der Orgelhalle von Pauline Viardot-García im Jahr 1865. Zu Gast waren die Schriftsteller Iwan Turgenew und Theodor Storm sowie Wilhelm I. König von Preußen und Otto von Bismarck.

In dieser Woche nimmt Sie Udo Barth, Mitarbeiter der Stadtbibliothek, mit auf eine Reise in die Baden-Badener Künstlersalons des 19. Jahrhunderts.

Baden-Baden als Lieblingsdestination der Franzosen

Es gibt kaum bedeutende Komponisten des 19. Jahrhunderts, für die sich keine Verbindung zu Baden-Baden herstellen lässt. Dass dabei die Franzosen eine große Rolle spielen, erklärt sich schon aus der Tatsache, dass die Stadt an der Oos vor allem auch für die westlichen Nachbarn zur Lieblingsdestination ihrer Aufenthalte wurde. Seinen Ruhm und seinen endgültigen Aufstieg zur Sommerhauptstadt Europas verdankt Baden-Baden aber vor allem den Pariser Geldmagnaten Jacques Bénazet und dessen Sohn Edouard.

Als Spielbankpächter dirigierten sie von 1838 bis 1867 die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt und prägten ihr architektonisches Aussehen. Die Stadt und deren repräsentativen Gebäude waren zum internationalen Treffpunkt aufgestiegen, wo man auf musikalische Genüsse keinesfalls verzichten wollte. Dazu trug schon das damals klein besetzte Orchester bei, das als Vorläufer der heutigen Baden-Badener Philharmonie gelten mag und bedeutende Solisten wie Franz Liszt zu begleiten hatte.

Pianisten, Violinisten, Sänger und Komponisten aus allen Winkeln der Erde

Seit 1857 der Böhme Miloslaw Koennemann den Dirigentenstab übernahm, nahm der Klangkörper rasante Fahrt auf. Mit seiner sinfonischen Dichtung „Fremersberg“ schuf Koennemann eine liebevolle Hommage an seinen Wirkungsort. Kein im damaligen Konzertbetrieb namhafter Komponist ließ es sich nehmen, seine Visitenkarte in dem Modebad abzugeben. Dazu zählen der Kontrabass-Virtuose Giovanni Bottesini und nicht zuletzt der Wiener Walzerkönig Johann Strauss, der mehrmals im neu erbauten, von Friedrich Weinbrenner konzipierten Maison de Conversation, dem heutigen Kurhaus, sein Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss.

„Es strömen Pianisten, Violinisten, Sänger und Komponisten aus allen Winkeln der Erde dahin, angelockt durch die Schönheit der Gegend, die elegante Gesellschaft, welche man dort antrifft, und noch mehr durch die außerordentliche Freigebigkeit des Spieldirektors Bénazet; und alle rufen: 'Nach Baden! Nach Baden! Es ist jetzt die Saison!'“ Die elegante Welt lechzte geradezu nach einem neuen Theater, und Bénazet reagierte darauf mit dem Auftrag, eine neue Spielstätte zu errichten. Eingeweiht wurde die bis heute erfolgreiche dramatische Bühne 1862 mit der Uraufführung von „Béatrice et Bénédict“, einer Bearbeitung von Shakespeares „Viel Lärm um Nichts“. Hector Berlioz hatte dazu den Auftrag erhalten und genial in ein musikalisches Drama gepackt.

Auch Clara Schumann verbrachte die Sommermonate in Baden-Baden

Als dann in Folge Jaques Offenbach 1869 nach Baden-Baden reiste, erreichte die Gästezahl die imposante Marke von 60.000. Die schönste Blüte dieser feinen aber auch schon etwas dekadenten Kultur der Baden-Badener Zeit ist die am 31. Juli 1869 im hiesigen Theater uraufgeführte „La Princesse de Trébizonde“. Ein paar Jahre zuvor notierte Clara Schumann, die sich in den Sommermonaten mit ihren Kindern in Baden-Baden erholte: „Hier in Baden hätte ich die schöne Natur und auch künstlerischen Verkehr, denn Alles kommt ja hierher.“ Johannes Brahms war nicht weit, wenn seine Seelenfreundin in Lichtental weilte.

„Manche glückliche Stunde habe ich da verlebt und manche hübschen Noten geschrieben, traurig und lustig“, meinte der Komponist rückblickend auf die Ergebnisse seiner Besuche in Baden. Im Tal an der Oos, vor allem im heutigen Brahms-Haus, entstanden wertvolle Werke unterschiedlichster Gattungen, so das Klavierquintett op. 34, das Horntrio op. 40 oder die Altrhapsodie op. 53. In dieser für ihn angenehmen Umgebung gelang es ihm auch, große Kompositionen ihrer Vollendung zuzuführen, so sein „Deutsches Requiem“ und die beiden ersten Sinfonien.

Pauline Viardot trug zum internationalen Renommee Baden-Badens bei

Pauline Viardot, die mit Clara Schumann befreundet war, trug ebenfalls zum internationalen Renommee Baden-Badens bei. Als sie 1863 ihren Lebensmittelpunkt hierher verlegte, hatte sie eine aufregende Opernkarriere hinter sich. Sie war eine der faszinierendsten, vielseitigsten und einflussreichsten Musikerinnen des 19. Jahrhunderts. Und schuf mit ihrem Salon im Tiergarten, der heutigen Fremersbergstraße einen Hotspot der damaligen Szene aus Adel und Kunst. Heute wird die Tradition Baden-Badens als bedeutende Musikstadt fortgeführt durch das Festspielhaus, die Philharmonie und das Baldreit-Stipendium.

Auch die Maler wurden Teil des Erfolgs der Kurstadt, indem sie das Renommee des Ortes mitbestimmen. Den Landschaftern bot die Stadt mit ihrer Umgebung reichlich Material zu künstlerischem Tun, die von den Baumeistern Heinrich Hübsch und Friedrich Weinbrenner geschaffenen Gebäude trugen das ihre dazu bei, Baden-Baden auf die Leinwand zu bannen. So verbrachte der frisch gekürte Karlsruher Akademiedirektor Johann Wilhelm Schirmer 1855 seinen ersten Urlaub in Baden-Baden. Frucht seiner Streifzüge um das Kloster Lichtenthal bilden fünf Landschaftsgemälde, deren Entwürfe hier entstanden sind. Schon im Jahr 1810 hielt Carl Ludwig Frommel, der Direktor der Großherzoglichen Gemäldegalerie, den Blick von der Allee auf Baden-Baden in einer kolorierten Radierung fest. Ganze Scharen von badischen Hofmalern eilten an die Oos, um dort das Ineinanderwirken von inspirierender Natur und emsigen Umtrieb der Eleganz bildnerisch festzuhalten.

Manche hielt es länger in Baden-Baden

Manche hielt es länger an diesem Ort der Inspiration, so Georg Otto Eduard Saal, der ab 1852 sein Atelier in der Lichtentaler Allee einrichtete. Dort entstanden zahlreiche Ansichten aus der näheren Umgebung und dem Schwarzwald, der geradezu verlockte, auf die Leinwand gebannt zu werden. Jakob Götzenberger, auch er badischer Hofmaler, erhielt den Auftrag zur Ausmalung der Trinkhalle mit Fresken, die Sagen der näheren Umgebung darstellen. So komponierte er die Nixen des Mummelsees zu einer anmutigen Figurengruppe, die den Gästen der Kurstadt die Freuden des Badens demonstriert.

In die Sommerhauptstadt Europas des 19. Jahrhunderts zog es aber auch international bedeutende Künstler, so Gustave Courbet. In Baden-Baden skizzierte Courbet Architekturmotive, Landschaften, Porträts, alte Kunst, Tierstudien und Karikaturen en masse. Franz Xaver Winterhalter, der umtriebige Erschaffer von Portraits der adligen Elite des 19. Jahrhunderts, bezog in Baden-Baden zeitweise ein eigenes Atelier.

17. Das literarische Erbe Baden-Badens

Otto Flake und Gerhart Hauptmann spazieren durch die Lichtentaler Allee. Bild vergrößern
(c)Stadtbibliothek Otto Flake und Gerhart Hauptmann spazieren durch die Lichtentaler Allee.

In dieser Woche berichten Sigrid Münch und Udo Barth von der Stadtbibliothek Baden-Baden vom literarischen Erbe der Stadt.

Baden-Baden besonders bei russischen Literaten beliebt

Baden-Baden hatte, nicht nur als Sommerhauptstadt des 19. Jahrhunderts, eine weitausstrahlende Wirkung auf Schriftsteller der jeweiligen Zeit. Vor allem die russischen Literaten fühlten sich magisch angezogen von diesem einzigartigen Ensemble aus Natur, Badekultur, Architektur und natürlich auch der Spielbank. Dostojewski verspielte hier sein Geld, auch Tolstoi saß beim Roulette, Turgenev fand mehr Gefallen am Salonleben und schrieb Romane. Zuerst in den 1830ern Jahren zu Besuch, und dann ab 1848 bis zu seinem Tod 1852 lebte hier Wassili von Shukovskij – der Vater der russischen Lyrik, Ziehvater von Puschkin und Erzieher des späteren Zaren Alexander II. Hier pflegte er seine Freundschaft mit Nikolai Gogol; Lew Tolstoi war nur kurz in Baden-Baden und schrieb die viel zitierte Zeile in sein Tagebuch: „Roulette bis sechs Uhr abends. Alles verloren.“ Turgenev rettete ihn aus der Pleite.

Iwan Gontscharow wiederum zählt zu den bedeutenden russischen Realisten des 19. Jahrhunderts. Auf einer mehrjährigen Weltreise machte auch er Station in der russischen Exklave Baden-Baden. Nikolaj Gogol, der im Juli 1836 zum ersten Mal nach Baden-Baden kam, beschrieb es mit folgenden Worten: „Ich lebe jetzt in dem berühmten Kurort Baden-Baden. Ich wollte nur drei Tage bleiben, aber schon drei Wochen kann ich mich nicht losreißen. Es gibt hier niemanden, der ernsthaft krank wäre. Alle kommen hierher um sich zu amüsieren (…).“

Streit zwischen Dostojewski und Turgenev

Nicht immer waren die Besucher Baden-Badens einer Meinung. Als die beiden ungleichen Schriftsteller Dostojewski und Turgenev 1867 in der Stadt aufeinandertrafen, kam es zu einem Streit, in dem die Auseinandersetzung der russischen Geistesgeschichte zwischen Westlern und Slawophilen ihren zugespitzten Ausdruck fand. Dostojewskij war kein Freund des Westens und Turgenev war furchtbar verärgert und gereizt aufgrund der Kritiken über seinen hier verfassten Roman „Rauch“, der in den russischen Zeitungen verrissen worden war. Turgenev, gut vernetzt in der internationalen Literaturwelt, schrieb schon 1863 an Gustave Flaubert: „Werden wir uns nicht im Laufe des Sommers sehen? Eine Stunde im guten und offenen Gespräch ist hundert Briefe wert. Ich verlasse Paris in acht Tagen, um mich in Baden niederzulassen. Werden Sie dorthin kommen? Dort gibt es Bäume, wie ich sie nirgendwo gesehen habe (…).“

Allein der Bäume wegen zog es Turgenev nicht nach Baden-Baden. Er folgte der berühmten französisch-spanische Opernsängerin Pauline Viardot-García, die sich 1863 mit ihrer Familie in der Stadt niedergelassen hatte. In ihrem Salon im Thiergartenviertel führten sie gemeinsam Operetten auf, zu denen Turgenev die Texte verfasste. Neben den Viardot-Garcias baute er sich eine Villa. Nach Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges zog das Künstlerpaar nach Paris. Zuweilen kehrte der Schriftsteller in seine alte Wahlheimat zurück, wo er in den besten Hotels Baden-Badens residierte, wie es seinem Ruf als großem russischen Dichter zukam.

Internationalität zog nicht nur Russen an

Die Internationalität der Kurstadt zog nicht nur Russen an, sondern wurde auch zum Tummelplatz von französischen, englischen und schließlich auch amerikanischen Schriftstellern. So war im Sommer 1878 Mark Twain während einer seiner Reisen mit seiner Familie und einem Freund in Baden-Baden zu Gast. In seinem 1880 veröffentlichten Buch „A tramp abroad“ hat er für Baden-Baden und sein Thermalwasser in einzigartiger Form geworben. Henry James, ein weiterer Amerikaner und Meister des psychologischen Romans, reiste im Juni 1874 von Italien aus über Basel nach Baden-Baden, wo er den Sommer verbringt, und es als „bezaubernd hübsch“ beschreibt.

Mehrfach diente die Kurstadt als Schauplatz seiner Romane. Von den Engländern sei Mary Shelley genannt, die Verfasserin des Schauerromans „Frankenstein“, die in Baden-Baden auf einer Europareise Station machte und die Stadt in ihrem Buch „Streifzüge durch Deutschland“ beschreibt: „Der Ort erscheint auf friedvolle Weise fröhlich, und es gibt einige elegant gekleidete Leute.“ Außerdem William Thackeray, der mit der Gesellschaftssatire „Jahrmarkt der Eitelkeiten“ (1848) bekannt wurde, wofür er sich das Anschauungsmaterial auch in Baden-Baden geholt haben könnte. In jungen Jahren ein Dandy und Spieler passt er perfekt in die Kulisse Baden-Badens, die er auf einer Rheinreise erlebte.

Anziehungskraft reicht bis in die heutige Zeit

Schon im Jahr 1838 hatte der französische Schriftsteller Gérard de Nerval eine Reise an den Rhein unternommen, die ihn auch ins Oos-Tal führte. Das Gewässer beeindruckte Nerval, der von einem Ausflug nach Lichtental zurück spaziert, allerdings nicht besonders: „Am Bachlauf entlang kehrte ich nach Baden zurück, aber was für ein Bach! Er ist gerade noch schiffbar für Enten. Gänse stoßen schon überall mit den Füßen an. Trotzdem überspannen ihn an vielen Stellen anspruchsvolle Brücken, mal Brücken aus Stein, mal aus Holz bis hin zu eisernen Hängebrücken.“ Eine ganze Reihe weiterer französischer Literaten gaben sich in der Sommerhauptstadt die Klinke in die Hand, darunter Alexandre Dumas, Honoré de Balzac, Edmond About, dessen Roman „Trente et quarante“ das Treiben im Spielcasino zum Inhalt hat, Alfred de Musset und Victor Hugo.

Die Anziehungskraft der Kurstadt auf Schriftsteller reicht über das 20. Jahrhundert bis in die heutige Zeit. Der schreibende Arzt Georg Groddeck eröffnete 1900 ein Sanatorium in Baden-Baden und entfaltete auf therapeutische, soziale und literarische Weise seine Wirkung in der Stadt. Otto Flake traf sich mit zahlreichen Schriftstellern und seinem Verleger Samuel Fischer zu ausgedehnten Spaziergängen und Tischrunden in seiner Villa. In der Nachkriegszeit kam Alfred Döblin als Zensor mit der Französischen Besatzung, der Südwestfunk wurde aufgebaut und zog wiederum zahlreiche Dichter und Schriftsteller an, die für Jahre bleiben oder bei Gastspielen Stücke inszenieren sowie Hörspiele und Literatursendungen aufnehmen.

Baldreit-Stipendium bietet seit 1988 Residenz für zahlreiche Künstler

Das Baldreit-Stipendium für Literatur, Kunst und Musik bietet seit 1988 Residenz für zahlreiche Literaten, Komponisten und bildende Künstler, die bundesweit und international Beachtung finden. Baden-Baden ist mit seinem einzigartigen Lokalkolorit bis heute Schauplatz zahlreicher Kriminal- und historischer Romane.

Die Literaturgeschichte dieser Stadt bietet eine überaus reichen Fundus, Anlass für die Universität Freiburg mit ihrem Sonderforschungsbereich „Muße“ zusammen mit der Stadtbibliothek Baden-Baden das Literaturmuseum zum künftigen „Mußeum – Muße und Literatur in Baden-Baden“ auszubauen, und mit dieser Konzeption der Erforschung und Vermittlung des kurstädtischen Literarturschaffens sowie der Muße zu dienen. Baden-Badens Anziehung ist ungebrochen und mit diesem Mußeum entsteht ein weiteres kulturelles Glanzlicht.

18. Der Kurort Baden-Baden bietet der großen Politik seit jeher eine Bühne

Teilnehmer des Fürstenkongresses bei einem Frühstück im Rittersaal des Alten Schlosses Bild vergrößern
(c) Stadtmuseum/–archiv Am 17. Juni 1860 kamen die Teilnehmer des Fürstenkongresses zu einem Frühstück im Rittersaal des Alten Schlosses zusammen. Anschließend erklommen sie die Ruine, um die Aussicht zu genießen.

Diese Woche widmet sich Walter Metzler dem Thema der Kurstädte als Bühne wichtiger politischer Ereignisse des 19. Jahrhunderts.

Als Baden-Baden in den Jahren nach 1805 zur Sommerresidenz der badischen Großherzöge wurde, zog es nicht nur Adel, gehobenes Bürgertum sowie Künstler und die Halbwelt in die Stadt an der Oos. Viele deutsche Monarchen, die häufig durch feingesponnene Heiratsbeziehungen miteinander verwandt waren, nutzten die Sommermonate zu Aufenthalten in der Bäderstadt. So kurten im frühen 19. Jahrhundert oft der bayerische und der württembergische König in Baden-Baden.

Minister und Diplomaten in der Stadt

Im Schlepptau der Herrscher verbrachten auch viele ihrer Minister und Diplomaten einige Zeit in der Stadt. Die Atmosphäre der Badeorte, wo die gesellschaftlichen Reglementierungen und Verpflichtungen erheblich geringer waren als im sonst üblichen Umgang, bot sich geradezu an, politische Themen zu behandeln, ohne auf diplomatisches Protokoll oder andere Zwänge allzu sehr Rücksicht nehmen zu müssen.

Für Regenten und ihre Diplomaten ergaben sich hier zahlreiche Gelegenheiten zu informellen Treffen und regem Gedankenaustausch. Man konnte gemeinsam auf der Promenade flanieren, Ausflüge unternehmen, traf sich bei gesellschaftlichen Events wie Bällen oder Konzerten, im halböffentlichen Raum eines Salons oder diskret im privaten Rahmen. Die breite Öffentlichkeit erfuhr selten Genaueres über diese Art der politischen Kommunikation, für die man im Französischen den schönen Ausdruck „diplomatie thermale“ gefunden hat.

Treffen des französischen Botschafters mit dem preußischen König

Der bekannteste und folgenreichste Fall von Diplomatie im Kurort dürfte in Deutschland das Treffen des französischen Botschafters mit dem preußischen König Wilhelm I. im Juli 1870 in Bad Ems gewesen sein. Unter tatkräftiger Mithilfe Otto von Bismarcks geriet die sogenannte Emser Depesche zum Anlass für die Kriegserklärung Frankreichs an die deutschen Staaten unter der Führung Preußens.

Einige Einblicke in das diplomatische Treiben in Baden-Baden im frühen 19. Jahrhundert verdanken wir Karl August Varnhagen von Ense, dem preußischen Geschäftsträger am badischen Hof von 1816 bis 1819. Er berichtet unter anderem von seinen Gesprächen mit anderen Gesandten, aber auch davon, dass er sich mit dem König von Württemberg über die aktuelle politische Lage ausgetauscht habe.

Baden-Baden als Bühne für die internationale Diplomatie

Mit der zunehmenden Geltung als internationaler Badeort, wo Menschen aus aller Welt zusammenkamen, wurde Baden-Baden auch zu einer Bühne für die internationale Diplomatie. An Bedeutung gewann die Stadt zudem 1856 durch die Heirat Großherzog Friedrichs I. mit der Tochter des künftigen preußischen Königs. Dieses Ereignis begründete eine enge Bindung Badens an das aufstrebende Preußen und führte dazu, dass der preußische Prinz (und spätere König und deutsche Kaiser) Wilhelm mit seiner Frau Augusta jahrzehntelang im Sommer stets mehrere Wochen in Baden-Baden verbrachte, häufig begleitet von Diplomaten und seinem späteren Ministerpräsidenten Otto von Bismarck.

Der ging auch im Kurort unentwegt seinen politischen Geschäften nach. In einem Brief an seine Frau schildert er seine Lage: „Feldjäger, Tintenfass, Audienzen und Besuche umschwirren mich ohne Unterlass… auf der Promenade mag ich mich gar nicht zeigen, kein Mensch lässt mich in Ruhe“.

Sommerhauptstadt der Diplomatie

Überhaupt schien die geographische Distanz zu den Machtzentren Berlin, Wien und Paris bei gleichzeitiger Grenzlage zu Frankreich Baden-Baden zu einer „Sommerhauptstadt der Diplomatie“ zu prädestinieren.

Im Juli 1858 veröffentlichte die Karlsruher Zeitung einen Bericht aus Baden-Baden, in dem es heißt: „Die genanntesten Personen der europäischen Diplomatie fahren fort, sich nacheinander an unserem Kurorte einzufinden.“ Unter den britischen, französischen, russischen, preußischen und anderen Diplomaten ist besonders der Ministerpräsident des Königreichs Sardinien Camillo Benso von Cavour hervorzuheben, der sich unmittelbar zuvor im Vogesenbad Plombières mit Kaiser Napoleon III. im Geheimen getroffen hatte, um sich des Rückhalts Frankreichs im Falle eines Krieges gegen Österreich zu versichern. In Baden-Baden angekommen, setzte er seinen König über die in Plombières getroffenen Absprachen in Kenntnis.

Treffen mit Kaiser Napoleon III

Mehrfach kam es in Baden-Baden zu hochrangigen Treffen zwischen Kaiser Napoleon III. und deutschen Souveränen. 1857 trafen sich der Prinzregent von Preußen, der badische Großherzog und Napoleon III. zu politischen Gesprächen, drei Jahre später, im Juni 1860, kamen dann zahlreiche deutsche Monarchen in Baden-Baden zum sogenannten Fürstenkongress zusammen, um Fragen des Deutschen Bundes zu besprechen.

Als Napoleon III. den preußischen Prinzregenten um ein Gespräch bat, lud dieser ihn zur Teilnahme ein. Dabei kamen höchstwahrscheinlich der kurz zuvor stattgehabte Sardische Krieg zwischen Frankreich und Österreich und die befürchteten Folgen für deutsche Territorien zur Sprache. Der informelle Charakter dieses Treffens fand nicht zuletzt darin seinen Ausdruck, dass die Souveräne sich zu einem Frühstück in den Ruinen des Alten Schlosses verabredeten.

Schah von Persien machte Politik in Baden-Baden

In der ungezwungenen Atmosphäre des Weltbades machte auch Nasr-ed-Din, der Schah von Persien, Politik. Er trat 1873 als erster persischer Herrscher eine Reise nach Europa an, um diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen zu knüpfen. In Baden-Baden traf er sich mit dem russischen Kanzler und Außenminister Fürst Alexander Gortschakow zu einer ausführlichen Unterredung.

Die Tradition, politische Gespräche in Baden-Baden, einer internationalen Stadt in landschaftlich schöner Lage, die zudem die notwendige Infrastruktur und entsprechende kulturelle Angebote aufweist, zu veranstalten, findet ihre Fortsetzung im 20. und 21. Jahrhundert.

Auch heute noch hochkarätige Treffen

In der „guten Stube“ Baden-Württembergs wurden und werden immer wieder hochkarätige Treffen ausgerichtet. Schon 1953 fand hier die Konferenz der Außenminister der Montanunion, ein Vorläufer der EU, statt. Besonders deutsche und französische Politiker trafen sich wiederholt in der französischsten aller deutschen Städte.

Die Zusammenkunft von Staatspräsident Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer 1962 mündete ein Jahr später in den Élysée-Vertrag und im Juli 1980 empfing Bundeskanzler Helmut Schmidt in Baden-Baden den französischen Staatspräsidenten Giscard d‘Estaing. 2009 kam anlässlich des NATO-Gipfels sogar der amerikanische Präsident Barack Obama in die Kurstadt, und zuletzt trafen sich 2017 die Finanzminister und Notenbankchefs der G20-Staaten in der Stadt, deren wertvollstes Kapital ihr historisches Erbe ist.

19. Lebendige Kurtradition

Die Philharmonie Baden-Baden im historischen Weinbrennersaal des KurhausesBild vergrößern
(c) Smriti Pant Die Philharmonie Baden-Baden im historischen Weinbrennersaal des Kurhauses

Diese Woche widmen sich Lisa Poetschki und Smriti Pant von der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung dem Thema der lebendigen Kurtradition Baden-Badens.

Materielle und immaterielle Aspekte der Kurtradition

Da Baden-Baden von den Zerstörungen während des Zweiten Weltkriegs weitestgehend verschont blieb, sind Stadtstruktur und Bebauung in großem Umfang und hoher Dichte überliefert. Die wesentlichen materiellen und immateriellen Elemente der Kurtradition des 19. Jahrhunderts sind bis heute an authentischen historischen Orten erlebbar. Zu den materiellen Aspekten gehören das Ambiente der Kurstadt, das durch die gut erhaltene Bebauung Baden-Badens, die weitläufigen Garten- und Parkanlagen und die die Stadt umgebende Kurlandschaft erhalten hat. Zu den immateriellen Aspekten der Kurtradition zählt, dass Baden-Baden seit dem 19. Jahrhundert auch Bühne für eine internationale Künstlerszene ist, bezeugt durch zahlreiche Opern, Romane und Gemälde.

Gleich dem 19. Jahrhundert wird das kulturelle Angebot bis heute durch Investitionen internationaler Player bereichert. Zu den wesentlichen immateriellen Facetten der lebendigen Tradition des "Kurens" in Baden-Baden zählen darüber hinaus auch die qualitativ hochwertigen Angebote zum Heilen und Gesundbleiben sowie die religiösen Praktiken, die im 19. Jahrhundert von internationalen Gästen in der Stadt initiiert wurden, über Generationen weitergegeben worden und noch heute in Baden-Baden in authentischer historischer Kulisse erlebbar sind. An einigen wenigen Beispielen soll im Folgenden die lebendige Kurtradition aufgezeigt werden. Diese Aspekte vermitteln auch heute noch die Ausstrahlung des glanzvollen Gesellschaftsbades aus dem 19.Jahrhundert.

Neue Gebäude und Gebäudeensemble

Im 19. Jahrhundert entstanden neue Gebäude und Gebäudeensemble, die speziell für balneologische Behandlungen konzipiert wurden. Im Jahre 1868 wurde das aus den Quellen des Florentinerbergs stammende Wasser durch den Friedrich- und Kirchenstollen kanalisiert, um die neuen großen Badepaläste, andere Kurhotels sowie Kliniken und Sanatorien mit dem Heilwasser zu versorgen. Das Friedrichsbad stellt in besonderem Maße eine lebendige Kurtradition dar, bietet es doch bis heute die römisch-irische Badetradition in den originalen historischen Räumlichkeiten an.

Die umgebende Landschaft stellte einen integralen Bestandteil des therapeutischen Konzeptes des „Zur Kur Gehens“ im 19. Jahrhundert dar. Der Ausbau des Wegenetzes wurde vorangetrieben, die sog. Terrainkur wurde eingeführt und die Landschaft als Erholungsraum bewusst entwickelt. Heutzutage ist die freie Landschaft um Baden-Baden als Landschaftsschutzgebiet mit all ihren Ausstattungselementen unter Schutz gestellt und bietet nach wie vor das Spektrum einer hochwertigen Erholungslandschaft mit einem ausgedehnten Wegenetz mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden, Aussichtspunkten, Gedenkstätten und Ausflugszielen an.

Kurhaus als gesellschaftlicher Mittelpunkt

Das Kurhaus von 1824 war der gesellschaftliche Mittelpunkt des Kurortes mit einer Vielzahl von kulturellen Angeboten zu Zeiten als Baden-Baden als Sommerhauptstadt Europas bekannt war. Bis heute hat das Kurhaus diese Funktion für den Kurort nicht verloren und bietet die zentrale Örtlichkeit für lokale, regionale, nationale und internationale Veranstaltungen auf höchstem Niveau.

Das Casino war nach seiner Umgestaltung in den Jahren 1851 bis 1853 das Highlight der Belle Epoque und bot Roulette und Kartenspiele neben kulturellen Angeboten wie Musikaufführungen und Bällen an. In den historischen Räumen des Spielcasinos werden bis heute Roulette, Poker und Black Jack gespielt sowie hochklassige Veranstaltungen wie Kammerkonzerte mit den Berliner Philharmonikern oder Lesungen angeboten.

Weinbrennersaal für Proben und Konzerte genutzt

Seit 1854 wird der Weinbrennersaal im Kurhaus für Proben und Konzerte des Orchesters genutzt. Im Jahr 1854 dehnte das Orchester zudem seine Konzerte und Opernaufführungen über die Sommermonate hinaus aus und begann, das ganze Jahr über Musikveranstaltungen zu organisieren. Das Orchester spielte die gesamte zeitgenössische Musik mit namhaften Solisten. Eine ungebrochene Tradition ganzjähriger Orchesterkonzerte setzt sich bis heute fort.

Das Orchester spielt nach wie vor die klassische Musik des 19. Jahrhunderts, doch auch zeitgenössische Musik mit Solisten von internationalem Ruf. Das Gästebuch des Orchesters liest sich wie das Who's Who der Musik. Darüber hinaus tritt das Orchester weiterhin weltweit auf. Jährlich Anfang August lädt das Philharmonische Orchester zur "Philharmonischen Parknacht" mit einer Bühne in der Lichtentaler Allee ein.

Weitere kulturelle Attraktionen

Das zeitgenössische Museum Frieder Burda, gestiftet von Frieder Burda, erbaut vom weltberühmten New Yorker Stararchitekten Richard Meier ist ein besonderes Beispiel für die lebendige Tradition. Das Museum ist verbunden mit der Staatlichen Kunsthalle aus dem frühen 20. Jahrhundert. Das Museum Frieder Burda stellt eine hochwertige Fortentwicklung dieser kulturellen Tradition dar und gilt heute als fester Bestandteil der Museumsmeile in der Lichtentaler Allee.

Eine weitere kulturelle Attraktion von internationalem Rang ist das Festspielhaus. Das 2001 errichtete Gebäude integriert den ehemaligen Kopfbahnhof der Eisenbahnlinie von 1842 in die Stadt. Die Veranstaltungen im Festspielhaus, wie die jährlichen Osterfestspiele der Berliner Philharmoniker, das russische Mariinsky Ballett und weltberühmte Künstler wie Valery Gergiev, Anne Sophie Mutter und Rolando Villazón ziehen ein breites internationales Publikum an. Das Festspielhaus Baden-Baden gehört daher zu den Topreisezielen kulturbegeisterter Touristen, vergleichbar mit der Bedeutung des Kurhauses im 19. Jahrhundert.

Stourdza-Kapelle, Hotels und touristischen Infrastrukturen

Die Stourdza-Kapelle wurde zwischen 1864 und 1866 nach den Entwürfen von Leo von Klenze als Begräbnis-und Gedenkkapelle erbaut und von Prinz Michael Stourdza von Moldawien für seinen verstorbenen Sohn in Auftrag gegeben. Dem Wunsch des Fürsten folgend, behält die Kapelle bis heute ihre Gedenkfunktion und wurde nie als Pfarrkirche genutzt. Die Gedenkgottesdienste fanden und finden nach wie vor in der Kapelle mit einem Priester statt, der aus der Geburtsstadt des moldauischen Fürsten im heutigen Rumänien kommen muss.

Die Hotels und touristischen Infrastrukturen genießen seit dem 19. Jahrhundert höchstes internationales Ansehen, darunter das aus dem Hotel Stephanie-les-Bains hervorgegangene 5-Sterne Hotel Brenners Park-Hotel oder das moderne 5-Sterne Hotel Roomers. Es überrascht daher nicht, dass internationale Treffen von Politik und Wirtschaft, wie die NATO Konferenz zum 60. Jubiläum im Jahr 2009 oder der G20 Finanzministergipfel 2017 in Baden-Baden stattfanden.

20. Schutz und Management von Baden-Baden als Teilstätte der UNESCO-Welterbenominierung „Great Spas of Europe“ – Teil 1

Blick auf die Kern- und Pufferzone der nominierten Welterbestätte Baden-Baden von der Schlossterrasse.Bild vergrößern
(c) Smriti Pant Blick auf die Kern- und Pufferzone der nominierten Welterbestätte Baden-Baden von der Schlossterrasse.

Diese Woche beschreiben Dr. Denise Beilharz vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg sowie Lisa Poetschki und Smriti Pant von der Stadt Baden-Baden die mit der Einschreibung Baden-Badens als Teil einer transnationalen seriellen Welterbestätte verbundenen Verpflichtungen und Chancen.

Die UNESCO-Welterbestätten zeichnen sich durch ihren außergewöhnlichem universellen Wert, ihre Authentizität und Integrität aus und gehören zum unschätzbaren und unersetzlichen Erbe der ganzen Menschheit. Voraussetzung für die Einschreibung einer Stätte in die Welterbeliste ist auch ein funktionierendes Managementsystem, das für Schutz, Pflege, Nachhaltigkeit und Vermittlung der Welterbestätte sorgt. Im Fall einer transnationalen, seriellen Stätte wie den „Great Spa Towns of Europe“ muss das Managementsystem insbesondere auch die internationalen Koordinierungsmechanismen darlegen. Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass der außergewöhnliche universelle Wert der Stätte auf Dauer erhalten bleibt. Vor diesem Hintergrund werden die Welterbestätten regelmäßig intern und von internationalen Fachgremien überprüft.

Mit der Ratifizierung der UNESCO-Welterbekonvention 1976 hat Deutschland sich dazu verpflichtet, die innerhalb seiner Grenzen gelegenen Welterbestätten in Bestand und Bedeutung eigenständig zu schützen, ihnen eine Funktion im öffentlichen Leben zu geben und ihre Weitergabe an künftige Generationen zu sichern. Aufgrund der Kulturhoheit der Länder sind in Deutschland die Länder für die Umsetzung der Welterbekonvention zuständig. Die verantwortlichen Institutionen für den Antragsteil Baden-Baden sind das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg, das als oberste Denkmalschutzbehörde die baden-württembergischen Antragsverfahren koordiniert, und das Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg im Regierungspräsidium Stuttgart in Zusammenarbeit mit der Stadt Baden-Baden.

Im Fall der erfolgreichen Nominierung der „Great Spa Towns of Europe“ für die Welterbeliste geht die Arbeit für das Land Baden-Württemberg und die Stadt Baden-Baden weiter: Die bei der Antragstellung mitbeteiligten Institutionen und Stakeholder verpflichten sich die eingetragene Teilstätte wie sie im Folgenden beschrieben wird zu schützen, zu pflegen und zu vermitteln sowie nachhaltige Entwicklungs- und Tourismuskonzepte umzusetzen. Hierbei wenden sie die ihnen zur Verfügung stehenden nationalen und baden-württembergischen Rechtsgrundlagen und Schutzinstrumente wie das Denkmalrecht sowie das Bau- und Planungsrecht an.

Kern- und Pufferzone

Die nominierte Teilstätte Baden-Baden umfasst all diejenigen charakteristischen Funktionen, die die Siedlungsform der Kurstadt des 19. Jahrhunderts von Weltrang ausmachen. Gemäß den Richtlinien für die Durchführung der Welterbekonvention benötigt jede Welterbestätte eine Pufferzone. Diese dient dem Schutz der Welterbestätte; sie umgibt die Stätte unmittelbar und umfasst wesentliche Sichtbezüge.

Lokaler Management Plan Baden-Badens

Jede in die Welterbeliste eingetragene Stätte muss über einen Managementplan verfügen, der erläutert, wie der außergewöhnliche universelle Wert eines Gutes erhalten werden kann. Welterbemanagementpläne sind das zentrale Planungsinstrument für den Schutz, die Nutzung, die Pflege und die erfolgreiche Weiterentwicklung von Welterbestätten. Er beschreibt die Rahmenbedingungen sowie die bestehenden und geplanten Schutzinstrumente, Maßnahmen und Projekte für die Welterbestätte.

Der Management Plan basiert auf denkmalpflegerischen Grundsätzen. Diese sind der Schutz des Erbes, die Abstimmung der entwickelten Maßnahmen sowie die regelmäßige Überprüfung der Schutzmaßnahmen. Der Management Plan betrifft alle Verwaltungseinheiten der Stadt, die mit den Einzelaspekten der Welterbestätte (wie zum Beispiel Denkmalpflege, Stadtplanung, Thermalwasserschutz, Landschaft- und Naturschutz) zu tun haben. Die Voraussetzung für die Implementierung des Management Plans Baden-Baden ist eine enge Abstimmung innerhalb der unterschiedlichen Verwaltungseinheiten der Stadt und der Landesdenkmalpflege. Die im Management Plan definierten Handlungsfelder und strategische Ziele sollten in der Stadtentwicklung der Stadt verankert sein und die Grundlage für zukünftige planerische Ausrichtung darstellen.

Das staatenübergreifende Managementsystem

Jede der elf Kurstädte besitzt einen eigenen lokalen Management Plan. All elf sind gleich aufgebaut. Sie orientieren sich an der Struktur des staatenübergreifenden Managementsystems, das die elf Städte in sieben Staaten zusammenbringt.

Ein umfassendes Verständnis für die gesetzlichen Unterschiede in Bezug auf die Verantwortlichkeitsebenen innerhalb und zwischen den Vertragsstaaten ist für ein wirksames Managementsystem erforderlich. Koordination, Zusammenarbeit sowie gemeinsam gesetzte Ziele sind notwendig, um die vereinbarte Zielsetzung mit den wichtigsten Partnern und Interessensvertretern zu erreichen. Individuelle Maßnahmen werden in Abstimmung mit den rechtlich bevollmächtigten Behörden auf internationaler, nationaler, föderaler und lokaler Ebene durchgeführt. Das Management der „Great Spa Towns of Europe“ ist daher auf verschiedenen Ebenen vertreten. Es wurden zusätzliche Strukturen und Regelungen entwickelt, um auf der einen Seite eine effektive transnationale Koordination zwischen den Vertragsstaaten und auf der anderen Seite zwischen den regionalen und kommunalen Instanzen und Interessensvertretern zu sichern.

21. Schutz und Management von Baden-Baden als Teilstätte der UNESCO-Welterbenominierung „Great Spas of Europe“ – Teil 2

Deckblatt Stadt- und KurortentwicklungsplanBild vergrößern
Stadt- und Kurortentwicklungsplan Baden-Baden 1974.

Diese Woche beschreibt Erster Bürgermeister Alexander Uhlig die langjährigen Bemühungen der Stadt für eine nachhaltige Stadtentwicklung.

Schutz, Erhalt und nachhaltige Entwicklung

Durch Schutz und Verwaltung einer Welterbestätte soll sichergestellt werden, dass der außergewöhnliche universelle Wert und die Unversehrtheit sowie die Echtheit erhalten werden können.

Die Eintragung der „Great Spa Towns of Europe“ in die Welterbeliste schafft kein neues Recht. Die Vertragsstaaten haben gegenüber der UNESCO die vollständige und wirksame Umsetzung der im Nominierungsdossier beschriebenen Maßnahmen zum Schutz der gesamten Stätte sichergestellt. Die Stadt Baden-Baden hat sich mit der Antragstellung verpflichtet, Schutzinstrumente für den Erhalt des außergewöhnlichen universellen Wertes und Planungsinstrumente für die nachhaltige Entwicklung der Kurstadt in Abstimmung mit den zuständigen kommunalen, regionalen und Landesbehörden auf der Grundlage bestehenden Rechts zu ergreifen. Baden-Baden ist in diesem Sinne gut aufgestellt, denn das Bewusstsein für den Wert und die Schutzbedürftigkeit der Stadt besteht nicht erst seit der Antragstellung. Das vorgeschlagene Managementsystem der nominierten Teilstätte Baden-Baden greift auf bereits bestehende Strukturen in der Verwaltung zurück, die gut implementiert sind. Der gute Erhaltungszustand der Stadt und die Nutzung der vorhandenen Schutzinstrumente bestätigen, dass diese Strukturen effektiv angelegt sind und ausgeschöpft werden.

Die Stadt baut auf einer langen Tradition von Instrumenten zur geordneten städtebaulichen Entwicklung der Stadt auf. Sei es der Stadt- und Kurortentwicklungsplan von 1974 oder der Strategische Entwicklungsplan Baden-Baden 2020 und seine Fortschreibung 2030, die vom Gemeinderat als Grundlage des städtischen Handelns beschlossen wurden. Auf deren Zielsetzungen basieren die wirksame rechtliche Umsetzung zum Schutz des historischen Stadtbildes in Form von Erhaltungssatzungen, Bebauungsplänen oder der in Vorbereitung befindlichen Gestaltungssatzung für die historischen Villengebiete. Daneben wurde in den vergangenen Jahren ein großes Augenmerk auf die Erarbeitung informeller Grundlagen zur Ermittlung der Werte des baulichen und kulturellen Erbes gelegt wie zum Beispiel durch die städtebaulich-denkmalpflegerische Werteplanung oder die Baufibel für die Villengebiete. Der Denkmalschutz, die Denkmalpflege und die Vermittlung dieser Werte sind ein weiterer wichtiger Baustein zum Schutz der Stätte. Die Gesamtanlageschutzsatzung umfasst die gesamte nominierte Welterbestätte und sichert das überlieferte Bild der Stadt. Eine Nutzung des Bestandes transportiert bestmöglich eine nachhaltige Stadtentwicklung unter Wahrung und zeitgemäßer Fortführung unserer baukulturellen Tradition.

Fachgutachten tragen dazu bei, die Werte zu erfassen und bilden die Grundlage für die Planung öffentlicher Räume wie Straßen, Plätze, Parks und Grünflächen. Stadtgestalterische Maßnahmen reflektieren die historische Entwicklung und geben Raum für neue Nutzungen. Grundlegende konzeptionelle Ansätze im Zusammenhang mit umweltfreundlicher Mobilität hinterfragen Verkehrsführungen und den Umgang mit dem öffentlichen Raum für Fußgänger und Radfahrer.

Management für denkmalgerechte nachhaltige Entwicklung

Der Lokale Managementplan Baden-Baden koordiniert die Maßnahmen zum Schutz der Stätte. Er beschreibt wie der außergewöhnliche universelle Wert der Teilstätte Baden-Baden geschützt und fortentwickelt wird und wie das dazugehörige Management sowie die Organisation nach der Einschreibung in die Welterbeliste vorgesehen ist.

Er beschreibt auch die bestehende und die geplante Managementstruktur in Baden-Baden. Dazu zählt die Lenkungsgruppe Welterbe mit Vertretern des Landes Baden-Württemberg, des Landesamtes für Denkmalpflege sowie der Stadt Baden-Baden, die alle Themen des Welterbeantrags und des Managements der nominierten Welterbestätte abstimmt. Es werden Entscheidungen über Strategien und Maßnahmen in der Welterbestätte getroffen. Die Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung mit der Sitemanagerin koordiniert bereits heute den UNESCO-Welterbeantrag auf städtischer Ebene und ist für die Vermittlung der Bewerbungsinhalte innerhalb der Verwaltung, an die Bürgerschaft und an die Gäste verantwortlich. In Zukunft wird es das Ziel des Welterbemanagements sein, die verschiedenen Akteure (Stakeholder) zu vernetzen und im Sinne einer qualitätsvollen Entwicklung den Schutz des Gutes sicherzustellen und nach außen zu kommunizieren. Die Arbeitsgruppe UNESCO mit Vertretern des Landesamtes für Denkmalpflege und den beteiligten Ämtern und Dienststellen der Verwaltung dient dazu, alle für die nominierte Welterbestätte wichtigen Themen wie Verkehr, Denkmalschutz, Städtebau, Natur und Landschaft, Tourismus, Kultur, etc. aufzugreifen und Maßnahmen frühzeitig abzustimmen, die Auswirkungen auf die Welterbestätte haben könnten.

Was bringt der Welterbetitel mit sich für Baden-Baden?

Für Baden-Baden stellt der Welterbe-Titel eine Bestätigung und Anerkennung der bisherigen Leistungen dar, die gemeinsam von der Bürgerschaft, der Stadt Baden-Baden in Zusammenarbeit mit den zuständigen übergeordneten Dienststellen sowie den lokalen Stakeholdern zum Schutz des Stadtbildes erbracht wurden, um das außergewöhnliche universelle Erbe bewusst zu machen, zu schützen und zu pflegen.

Die nominierte Teilstätte Baden-Baden verpflichtet sich, das kulturelle Erbe der Stadt zu schützen und nachhaltig in die Zukunft zu entwickeln – nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Baden-Baden, sondern für die gesamte Menschheit. Entsprechend hoch ist die Verantwortung, der sich Baden-Baden mit ganzer Kraft stellt. Die Zukunft unserer Stadt geht nicht ohne Respekt vor seiner Geschichte. Das historische und gleichzeitig zeitlose Ambiente, der gut erhaltene Stadtgrundriss, die weitläufigen Parks und Grünanlagen und eine lebendige Kulturszene – all das eingebettet in eine atemberaubende umgebende Kurlandschaft – macht die Anziehungskraft unserer Stadt aus. Gerade angesichts der dynamischen Pandemielage sind diese Merkmale der Stadtlandschaft umso mehr zu schätzen und werden gerade in diesen Zeiten als städtebauliche Vorbilder für eine zukunftsfähige Stadt mit hoher Lebensqualität und Resilienz gesehen

22. Bad Ems und die Great Spa Towns of Europe

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Foto: Dominik Ketz Das Kurviertel in Bad Ems erstreckt sich auf einem schmalen Streifen entlang der Lahn.

Diese Woche widmet sich Isabelle Mühlstädt von der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung der Geschichte der Kur in Bad Ems.

Bad Ems „das Kaiserbad“ hat trotz ihrer überschaubaren Größe europaweite Bekanntheit als eine der bedeutendsten deutschen Kurstädte erreicht und war als Treffpunkt von Kaisern und Königen viele Male Austragungsort der sogenannten „diplomatie thermale“.

Die rheinland-pfälzische Kurstadt mit zirka 9700 Einwohnern liegt in einem tiefen Tal am Flussufer der Lahn, eingebettet in die malerische Landschaft der bewaldeten Hänge von Taunus und Westerwald. Die Geschichte von Bad Ems reicht bis in die römische Zeit. Es gibt zwar keine Hinweise auf die Nutzung des Thermalwassers in römischer Zeit, doch als Teil des Obergermanisch-Raetischen Limes, der Grenze des römischen Reichs, besitzt die Region besondere Bedeutung. Im Bereich der heutigen Innenstadt stand einst ein römisches Kastell, in dem römische Truppen zum Schutz des Limes stationiert waren und auf dem Wintersberg thront ein 1874 rekonstruierter römischer Wachturm, der einen wichtigen Blickpunkt der Kurlandschaft bildet.

Das nahegelegene Dorf Ems wurde bereits im frühen Mittelalter am Ufer des Emsbach gegründet. Die Kurstadt Bad Ems entstand im 14. Jahrhundert in der Nähe der Quellen, etwa 1,5 Kilometer vom Dorf Ems entfernt. Es entwickelten sich erste Badehäuser für die feine Gesellschaft, aber auch ein Armenbad. Bemerkenswert ist, wie im ersten Badereiseführer (Puchlein von allen Paden) von 1480 beschrieben wird, dass das mittelalterliche Baden in Bad Ems bereits auch eine soziale Funktion für die Gäste besaß und nicht nur der reinen Gesundheit, sondern auch der Muße diente.

1696 entstand der Vorläufer des heutigen Kursaals, der Assemblée-Saal. 1698 bis 1725 folgten das hessen-darmstädtische und das Fürstlich Oranien-Nassauische Badehaus sowie ein kleiner Palast des Hauses Oranien-Nassau, der mit der noch erhaltenen Brunnenhalle einen Teil des heutigen Kurhauses bildet. Zwei weitere herrschaftliche Badehäuser (Vier Türme und Mainzer Haus) und eine erste Badekirche zeugen von der Beliebtheit des Bades in der frühen Neuzeit.

Der Aufstieg von Bad Ems zur bedeutenden Kurstadt begann 1806 unter der Regierung des Herzogtums Nassau. Die Quellen und Badehäuser waren in Staatsbesitz. Geplant war eine systematische Expansion mit neuen Badehäusern, die Modernisierung des Kurhauses sowie die Anlage von Fußwegen und Promenaden. Ab 1820 wurde das städtebauliche Konzept weiterentwickelt. Entlang der bereits existierenden Hauptachse wurden Ballungsräumen und locker bebaute Villengebiete ausgewiesen sowie architektonischen Vorgaben für neue Gebäude festgesetzt. Es erfolgte zudem ein Anschluss zum Dorf Ems, dessen Straße im Verlauf der Jahrzehnte hangseitig von luxuriösen Hotels und Logierhäusern gesäumt wurde.

Die stadtplanerischen Maßnahmen und die neuen Gebäude sollten sich sensibel integrieren und eine Harmonie mit der Landschaft bilden. Bad Ems besitzt seither ein ausgedehntes Wegesystem mit zahlreichen Aussichtspunkten, die einen Blick über die malerische Landschaft erlauben. Der Felsenpfad führt beispielsweise seit 1816 zur Bäderlei, zu den Heinzelmannshöhlen, zur Mooshütte und zum Concordia Turm von 1861.

Bad Ems und Baden-Baden verbindet die Geschichte des Glücksspiels. Baden-Baden erlangte im 19. Jahrhundert internationale Bekanntheit durch die von der Familie Bénazet geführte Spielbank, doch besaß Bad Ems schon einige Jahrzehnte vorher seit 1720 eine Glücksspielkonzession für den Assembléesaal und war europaweit ein Vorläufer im Spielbetrieb. Die Einnahmen der Spielkonzession trugen ebenfalls zur Stadtentwicklung bei, da diese den Bau des Kursaals und den Unterhalt des Kur-Orchesters ermöglichten.

Der neue Kursaal mit dem Marmorsaal entstand 1836 bis 1839 nach Plänen des Architekten Johann Gottfried Gutensohn. Die Villa Farnese in Rom diente hierfür als Vorbild. Im gleichen Zug entstand der Kurpark entlang der Uferseite im Stil des Englischen Landschaftsgartens. In den 1850ern entdeckte man eine weitere Quelle auf der anderen Flussseite, für die das Staatliche Badehaus 1853 errichtet wurde. In Folge wurde eine neue Verbindung zwischen dem Neuen und alten Kurviertel benötigt und man errichtetet die heutige Kurbrücke.

Die noch heute vielgeschätzten Emser Pastillen werden seit 1858 hergestellt. Man ließ sich dabei von den Pastilles de Vichy inspirieren. Die Salze des Mineralwassers werden extrahiert, um sie in gepresster Form in frischem Wasser wieder aufzulösen. Dies ermöglicht den Kurgästen die heilende Wirkung des Mineralwassers nach ihrer Rückkehr auch Zuhause zu erleben. Aber auch das Abfüllen des Mineralwassers in Flaschen besitzt in Bad Ems seit dem frühen 18. Jahrhundert Tradition. Zum anderen ist Bad Ems für seine Fortschritte in der Inhalationstherapie berühmt. Es handelt sich dabei um eine französische Behandlungsmethode durch Inhalation von Mineralwasser. Dr. Ludwig Spengler führte die Methode 1855 in Bad Ems ein. Die Inhalationstechnologie wurde über die Jahre weiterentwickelt und besteht bis heute fort.

Bad Ems bot seinen Gästen neben dem berühmten Mineralwasser, Konzerte, Theaterstücke, Glücksspiel, Leseräume und Bibliotheken für internationale Gäste. Die Gäste kamen aus ganz Europa, besonders Engländer, Franzosen und Russen genossen die Kur in den Sommermonaten in Bad Ems. Man bevorzugte die Anreise mit dem Schiff über den Rhein und die Lahn.

Die Kurstadt an der Lahn zog zahlreiche berühmte Gäste an. Fyodor Dostoyevsky schrieb 1875 in einem Brief: „Und natürlich – das sehe ich jetzt ganz klar – wäre ich, wenn ich im vergangenen Sommer nicht in Bad Ems gewesen wäre, sicher im vergangenen Winter gestorben.“ Zu Gast waren der Industrielle Alfred Krupp, Jenny Lind sowie Johann Wolfgang von Goethe und Nikolai Gogol. Bad Ems war Ort der Inspiration für viele Künstler und Literaten. Der deutsch-französische Komponist Jacques Offenbach spielte nicht nur von 1858 bis 1870 fast jährlich im Kursaal Konzerte, sondern schrieb auch verschiedene Stücke in Bad Ems unter anderem große Teile von „Orpheus in der Unterwelt“, während Richard Wagner Vorarbeiten zu seinem Werk „Parsifal“ verfasste.

Auch der Adel, wie Kaiser Wilhelm I., Zar Alexander II. sowie Könige aus England, Schweden, Sachsen und Bayern genossen regelmäßig die Sommermonate in Bad Ems. So kam es, dass Bad Ems mehrmals Austragungsort wichtiger Ereignisse für die europäische Geschichte wurde. Ein Aufeinandertreffen zwischen dem preußischen König Wilhelm I. und dem französischen Botschafter Vincent Benedetti auf der Kurpromenade am 13. Juli 1870, dessen telegraphischer Bericht an Bismarck heute als Emser Depesche bekannt ist, trug zum Ausbruch des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 bei und in dessen Folge der Gründung des Deutschen Kaiserreichs.

Der erste Weltkrieg und die französische Besatzung markierten einen Wendepunkt für den Kurbetrieb in Bad Ems. Nach dem 2. Weltkrieg stieg die Zahl der Kuren wieder, doch verlagerte sich die Kur mehr und mehr auf Kliniken. 1970 folgte der Bau der Emser Therme, die 2012 durch eine neue ersetzt wurde und ein weiteres Kur- und Wohnviertel wuchs auf der Bismarckhöhe. Noch heute ist Bad Ems eine lebendige Kurstadt, dessen heilende Wirkung des Mineralwassers weithin bekannt und geschätzt wird.

23. Bad Kissingen und die Great Spa Towns of Europe

Innenaufnahme der Brunnenhalle in Bad Kissingen.Bild vergrößern
Foto: Michael Imhof / Stadtarchiv Bad Kissingen In der von Max Littmann entworfenen Brunnenhalle wird zweimal täglich das Heilwasser ausgeschenkt.

Diese Woche widmet sich Isabelle Mühlstädt von der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung der Kurgeschichte der bayerischen Kurstadt Bad Kissingen.

Das Bayerische Staatsbad Bad Kissingen gilt als Beispiel der idealen Kurstadt von der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Die unterfränkische Kurstadt liegt am Fluss Fränkische Saale am südlichen Rand der Rhön und ist insbesondere für die solehaltigen Quellen, ihr reiches architektonisches Erbe des Klassizismus und des frühen 20. Jahrhunderts, sowie als renommierter Gesundheitsstandort bekannt.

Die Salzgewinnung besitzt in Bad Kissingen lange Tradition. Erstmals 801 als Ort erwähnt, wurde bereits 823 die Gewinnung von Salz durch die umliegenden Quellen dokumentiert, 1562 entstand in Kissingen das erste Strohgradierwerk nördlich der Alpen, und damit eine technische Revolution zur Salzerzeugung. Mit dem Rückgang der Bedeutung der Salzindustrie Mitte des 19. Jahrhunderts trat in Kissingen eine neue Ära ein: Die Einbeziehung der Sole als therapeutisches Kurmittel in den Kurmittelkatalog, wofür das Areal Untere Saline bis heute beispielhaft steht.

Schon im Mittelalter entwickelte sich Bad Kissingen zu einem Ort der Heilung. Ab dem 16. Jahrhundert ist Bad Kissingen weithin als Wildbad für seine Trink- und Badekuren bekannt. Im 18. Jahrhundert begann Bad Kissingens systematisch geplanter Aufstieg zur Kurstadt. Im Auftrag des Fürstbischofs von Würzburg wurde 1738 das neue repräsentative Kurhaus gemeinsam mit dem angrenzenden Kurgarten in der Nähe der Quellen Pandur und Rakoczy geplant und errichtet. Die Kuranlage gilt als der älteste Garten, der auf Kurzwecke hin geplant und ausgeführt wurde: Sowohl zum Promenieren als wesentlicher Bestandteil der Trinkkur als auch als gesellschaftlicher Treffpunkt und Spielwiese.

Ab 1814 wurde der Ausbau der Stadt Bad Kissingen konsequent weitergeführt und diese mit allen Annehmlichkeiten einer modernen Kurstadt ausgestattet. Das zentrale Kurquartier richtete sich an den Quellen Rakoczy, Maxbrunnen und Pandur südlich der Altstadt aus. Ein zweites Kurviertel entstand im Norden der Stadt. Schon im 18. Jahrhundert ließ sich Fürstbischof Friedrich von Seinsheim in der Oberen Saline ein Kurquartier einrichten, spätestens mit der Nutzung der Sole als Heilmittel Mitte des 19. Jahrhunderts, entstand an der Unteren Saline, am Runden Brunnen ein zweites Kurviertel mit Einrichtungen zur Gewinnung und Nutzung der Sole wie z.B. das Gradierwerk, das bis heute als Freiluftinhalatorium genutzt wird. Dazu geht man heute durch das Gradierwerk, in dem das salzhaltige Wasser über hohe Wände aus Reisig fließt, um dadurch die Salzkonzentration in der Luft zu erhöhen.

Durch ein Leitungssystem wurde die Sole von hier aus auch in die Stadt gepumpt und bis heute werden Kurhäuser in der Stadt sowie die moderne Therme mit Heilwasser aus den nördlich der Stadt liegenden solehaltigen Quellen gespeist. Besonders unter Engländern und Russen wurde Bad Kissingen seit den 1830er zum beliebten Ziel. Adelige aus ganz Europa sowie renommierte Künstler und Politiker vergnügten sich ab 1838 im neoromanischen Arkadenbau mit Kursaal, dem Herzen des Kurviertels.

Hier fanden auch politische Entscheidungen und Ereignisse von großer Tragweite statt. Beispielsweise verfasste Bismarck während eines Kuraufenthalts im Sommer 1877 das Kissinger-Diktat, in der er seine Außenpolitik skizzierte. Seine Wohnräume in der Oberen Saline sind erhalten. Kaiserin Sissi, so erzählt man, liebte es sich in der Kurlandschaft zu vergnügen. Bei ihren Aufstiegen zur Ruine Botenlaube oder dem Altenberg soll sie ihre Zofen stets abgehängt haben. Während eines Spaziergangs durch den Luitpoldpark entstand das letzte Foto von ihr.

Von der gezielten Förderung des bayerischen Königshauses, der Kaiserkur 1864 und den zahlreichen Besuchen des Reichskanzlers Bismarck ab 1874 profitierte Bad Kissingen und avancierte Mitte des 19. Jahrhunderts zur bedeutenden Kurstadt. Das Luitpoldbad wurde 1867-71 errichtet, um der stetig steigenden Besucherzahl ein modernes Bad bieten zu können. Seit 1883 trägt Kissingen den Namenszusatz „Bad“. Das zweite goldene Zeitalter der Bautätigkeit für Bad Kissingen begann im frühen 20. Jahrhundert und entgegen vieler anderer Kurstädte, setzte die Stadt an der Fränkischen Saale ihre stetige Entwicklung auch nach dem ersten Weltkrieg fort. 1913, im letzten Jahr vor dem Ersten Weltkrieg, lag Bad Kissingen angesichts der hohen Zahl der Kurgäste im Ranking der deutschen Kurstädte nach Wiesbaden und Baden-Baden an dritter Stelle.

So kommt es, dass das zentrale Kurviertel von zwei Bauphasen dominiert wird und diese auf besonders harmonische Weise vereint. Zum einen die Architektur des Biedermeiers und zum anderen die Architektur des frühen 20. Jahrhunderts, die besonders durch das Schaffen von Max Littmann geprägt ist. Max Littmann, als Vertreter der Moderne, prägte das Stadtbild im Besonderen unter Verwendung innovativer Formen und Materialien. Die geschlossene Wandelhalle von 1912, die im Zuge dessen entstand, ist weltweit die größte ihrer Art, ermöglichte erstmals die Winterkur und ist überdies ein frühes Beispiel für die Anwendung der Stahlbetonbauweise in der repräsentativen Kurarchitektur. Ein technisches Highlight Littmanns ist die drehbare Bühne, durch die das Kurorchester bis heute bei gutem Wetter nach draußen in den Kurgarten wie auch, bei schlechtem Wetter, nach innen spielt. In der anschließenden Brunnenhalle wird damals wie heute das Mineralwasser ausgeschenkt und anschließend in der Wandelhalle genossen.

Brunnenfrauen beraten bei der richtigen Wahl des Wassers für die Behandlung spezifischer Leiden und reichen dazu zwei Mal am Tag den Kurgästen und Einheimischen das aus den Phosphor-Bronzehähnen sprudelnde Wasser. Ebenso nach Entwürfen des königlichen Hofarchitekten Littmann entstand der Regentenbau mit seinen opulenten Festsälen, die bis heute das Herzstück des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens der Stadt sind. Die medizinisch-therapeutische Anwendung der Heilquellen sowie Kultur- und Gesundheitstourismus sind ein lebendiger Teil Bad Kissingens, der in seiner ursprünglichen Funktion und in moderner Weiterentwicklung fortgeführt wird. Bad Kissingen, Bad Ems und Baden-Baden spiegeln authentisch das europäische Kurphänomen. In den kommenden Wochen widmen wir uns den anderen acht europäischen Kurstädten, die Teil der UNESCO-Welterbenominierung sind.

24. Baden bei Wien und die Great Spa Towns of Europe

Die Jugendstil Sommerarena von Architekt Rudolf KrauszBild vergrößern
(c) Romana Fürnkranz Die Jugendstil Sommerarena von Architekt Rudolf Krausz dient nicht nur als Theater sondern beherbergt zugleich die Ursprungsquelle.

Diese Woche widmet sich Isabelle Mühlstädt von der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung der Kurgeschichte von Baden bei Wien und ihrem besonderen Beitrag zur Serie der elf Kurstädte.

Die Kurstadt Baden bei Wien, wie der Name bereits impliziert, liegt in der Nähe der österreichischen Metropole Wien. Diese geografische Nähe zu Wien und somit zum Sitz der kaiserlichen Dynastie der Habsburger, sollte die Entwicklung der Kurstadt in den letzten sechs Jahrhunderten maßgeblich prägen. Als „Sommerfrische“ der kaiserlichen Familie erfreute sich Baden bei Wien dadurch im 19. Jahrhundert europaweit zunehmender Beliebtheit.

Die Ursprünge der Kurtradition von Baden bei Wien liegen ebenso wie in Baden-Baden in der Antike. Unter dem Namen „Aquae Pannoniae“, was so viel bedeutet wie Wasser in der Provinz Pannonia, errichteten die Römer bereits im 3. Jahrhundert nach Christus Thermen.

Die 14 Thermalquellen waren vom Mittelalter bis heute stets der zentrale ökonomische Antrieb für die Entwicklung der Stadt. Im Mittelalter war die Stadt unter dem Namen Padun bekannt. Seit dem 15. Jahrhunderts war die Kurstadt beliebt bei den Habsburger Kaisern. Insbesondere Kaiser Franz II genoss seit 1793 die Vorzüge der nahegelegenen Kurstadt. In seiner Jugend besuchte er Montecatini Terme und wollte Baden bei Wien nun zu einer ebenso modernen Kurstadt ausbauen. Dazu wurden neoklassizistische Badetempel sowie 1792 ein Kurpark errichtet, der den Kern des heutigen Kurparks bildet. In den folgenden Jahrzehnten kamen Ballsäle und Theater hinzu und vervollständigten das Kurensemble. Selbst Napoleon Bonaparte kostete 1809 das Badener Thermalwasser.

Die Initiative des Kaisers und die Innovationskraft des Bürgertums führten zur architektonischen Modernisierung der Stadt im Stil des österreichischen Neoklassizismus. Die Architekten Charles Moreau und Joseph Kornhäusel prägten dabei das Stadtbild nachhaltig. Durch die kaiserliche Patronage entwickelte sich Baden seit 1810 zum Zentrum der österreichischen Aufklärung. Jeden Sommer residierten in Baden die Wiener Gesellschaft, die Künstler und Andersdenker der berühmten Wiener Salons der Aufklärung sowie die höfische Gesellschaft, die den Kurort zu einem einzigartigen intellektuellen Treffpunkt abseits der Metropole Wien machten.

Unter den zahlreichen Gästen befanden sich auch die bedeutendsten Musiker und Komponisten ihrer Zeit, für die die Idylle der Kurstadt der bevorzugte Arbeitsplatz war. Beethoven schrieb in einem Brief 1804: „Ich hätte mein Leben nicht geglaubt, daß ich so faul sein könnte, wie ich hier bin. Wenn darauf ein Ausbruch des Fleißes folgt, so kann wirklich was Rechtes zu Stande kommen.“ Baden tut sich daher besonders durch sein reiches musikalisches Erbe hervor und ist eng verbunden mit den Werken von Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven und Johann Strauß.

Der 1820 eröffnete Sauerhof bot neben zahlreichen anderen luxuriösen Hotels den wohlhabenden Gästen eine angemessene Unterkunft und ist heute das älteste Kurhotel Europas. Die jährlich wiederkehrenden Gäste errichteten sogar eigene Villen und Landhäuser im nahegelegenen Helenental für längere Aufenthalte in den Sommermonaten. Dazu gehörten der Prinz von Metternich-Winneburg oder Prinz Wilhelm, Herzog von Nassau. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurden kontinuierlich Villen zwischen dem Kurpark und dem Helenental erbaut, die bis 1869 zu einem zusammenhängenden Vorstadtgürtel um die Stadt verschmolzen waren.

Doch nicht nur die Reichen und Berühmten fanden in Baden bei Wien Heilung. 1801 stiftete Kaiser Franz das Wohltätigkeitshaus, das 1825 umfassend erweitert wurde. Die soziale Einrichtung sollte auch den Armen den Zugang zum Thermalwasser ermöglichen. Um die Jahrhundertwende erlebte Baden bei Wien eine zweite architektonische Blütezeit. Ein repräsentatives Kurhaus wurde 1886 von Architekt Eugen Fassbender errichtet sowie ein neues Stadttheater (1908 bis 1909) im Jugendstil, welches bereits den vierten Vorgänger ersetzte. Zudem kam 1906 die Sommerarena hinzu. Der Jugedstilbau bietet eine Bühne für Veranstaltungen, dessen Glasdach bei schönem Wetter automatisch eingefahren werden kann und nun seit mehr als 110 Jahren Open-Air Aufführungen ermöglicht.

Mehr als zwei Millionen Liter Thermalwasser sprudeln täglich aus den 14 natürlichen Thermalquellen von Baden. Balneologische Anwendungen, die atemberaubende Landschaft und das reiche kulturelle Angebot mit zahlreichen Museen und Veranstaltungen, machen Baden bei Wien bis heute zu einem der beliebtesten österreichischen Reiseziele.

25. Spa und die Great Spa Towns of Europe

Quelle Source de la Géronstère Bild vergrößern
(c) David Houbrechts Die Source de la Géronstère war eine der meistbesuchten Quellen des siebzehnten Jahrhunderts. Ihr eisen-, schwefel- und kohlensäurehaltiges Wasser heilte angeblich den russischen Zaren Peter den Großen von seinen Verdauungsproblemen.

Diese Woche widmet sich Isabelle Mühlstädt von der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung der Kurgeschichte der belgischen Kurstadt Spa und ihrem besonderen Beitrag zur Serie der elf Kurstädte.

Die belgische Kurstadt Spa wird oft als “Café Europas” und “Perle der Belgischen Ardennen“ bezeichnet. Die internationale Bedeutung wird durch die Antonomasie deutlich, das heißt ein Ortsname steht für ein Gesamtphänomen – wie beispielsweise die Kurstadt Spa, das im Englischen die Bezeichnung für jeden beliebigen Kurort ist. Auch in Spa waren sich die Römer bereits den besonderen Eigenschaften der Thermalquellen bewusst. Die Entwicklung der Stadt war, wie viele Kurorte, durch die Nutzung des Mineralwassers geprägt. Die Stadt entwickelte sich organisch, ausgehend von der im Tal liegenden Hauptquelle Pouhon Pierre-Le-Grand.

Besonders in der Identifizierung der therapeutischen Eigenschaften des Mineralwassers nahm Spa seit dem 16. Jahrhundert eine wegweisende Rolle ein. Lymborh Gilbert, Leibarzt des Fürstbischofs von Liège, war einer der ersten, der 1559 die heilende Wirkung des Mineralwassers wiederentdeckte und erforschte. So kam es, dass das Quellwasser mindestens seit 1583 in Flaschen abgefüllt wurde, um exportiert zu werden. Im 17. Jahrhundert wurden die ersten wissenschaftlichen Analysen der Gewässer von Spa auf der Grundlage von Destillation und Verdunstung durchgeführt.

Das Goldene Zeitalter der belgischen Kurstadt begann früher als in Baden-Baden. 1717 nahm der Zar Peter der Große das Wasser in Spa ein und wurde "geheilt". Dieses Ereignis war der Ausgangspunkt für die internationale Anerkennung der Stadt, die Spa zum gesellschaftlichen Treffpunkt für die europäische Aristokratie werden ließ.

Der belgische Chemiker Jean-Philippe de Limbourg, Arzt des Fürstbischofs von Liege, schlug im 18. Jahrhundert als erster vor, das Wasser von Spa in Form von Duschen oder Bädern zur Therapie zu verwenden; diese Behandlungen werden bis heute als Balneotherapie bezeichnet.

Die Popularität des Kurorts hing allerdings auch mit der Entwicklung des Glücksspiels zusammen, das vom Fürstbischof von Liège genehmigt wurde. Die Bedeutung dieser elitären Unterhaltung wird durch die Eröffnung im Jahr 1762 eines der frühesten Casinos in Europa, dem sogenannten La Redoute, gekennzeichnet. La Redoute ist heute nicht mehr erhalten, doch nur wenige Jahre später folgte 1770 der Bau eines zweiten Casinos - Waux-Hall, welches als Europas ältestes erhaltenes Casino gilt. Es liegt etwas außerhalb des Stadtzentrums, geschickt positioniert auf dem Weg zu den vielbesuchten Quellen. Denn zu dieser Zeit begann man in Spa Promenaden und Fußwege samt Aussichtspunkten in der umgebenden Landschaft anzulegen, welche die einzelnen Quellen, die oftmals mit kleinen Pavillons ausgestattet waren, miteinander und zugleich mit der Stadt verbanden. So beschrieb Casanova im 18. Jahrhundert die belgische Kurstadt: "Spa, dieses Gehege, in das alle Nationen Europas einmal im Jahr im Sommer strömen, um tausend Torheiten zu machen."

Spa besaß einst zwei Stadtkerne, von denen der eine den Kurgästen und der andere der für sie arbeitenden lokalen Bevölkerung vorbehalten war. In ersterem entstanden eine Vielzahl komfortabler Unterkünfte und Hotels, wie das Hôtel Bourbon und das Hôtel d’Irlande, für die wohlsituierten Kurgäste. In der Talsohle des kleinen Tals im Norden der Stadt wurde das Grand Hôtel (dem heutigen Rathaus) sowie ein riesiges Lagerhaus gebaut, welches durch die üppigen Einnahmen der Spielbank finanziert wurde.

Der Stadtbrand von 1807 stellt eine Zäsur in der Entwicklung der Kurstadt dar. Spa verlor bei dem verheerenden Brand zwei Drittel der Gebäude. Doch infolgedessen wurde Spa ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in eine moderne Kurstadt mit französisch-klassizistischer Architektur umgewandelt. In Spa wie auch Baden-Baden fand das Glücksspiel 1872 ein Ende. Danach wurde in beiden Städten verstärkt auf den Ausbau des therapeutischen Angebots Augenmerk gelegt und den Städten die essentielle Infrastruktur einer modernen Kurstadt mit Bahnhöfen und Elektrizität verliehen. In diesem Zuge wurde bereits 1868 ein neues Badehaus vom Brüsseler Architekt Leon Suys errichtet, welches die modernsten balneotherapeutischen Anwendungen seiner Zeit bot. Ein weiteres bedeutendes Bauwerk des zweiten Golden Zeitalters, ist die überdachte Galerie Leopold II. im Parc de Sept-Heures. Sie schütze die Kurgäste nicht nur vor schlechtem Wetter, sondern bot auch Unterhaltung in Form von Konzerten und Theaterstücken.

Die kohlensäurehaltige Hauptquelle Pouhon Pierre-le-Grand erhielt 1880 durch Architekt Victor Besme eine Wandelhalle und war das mittlerweile fünfte Gebäude, das über der Quelle errichtet wurde. Die Kurtradition, die Forschung und das Wissen über die heilende Wirkung des Mineralwassers wurden in Spa bis heute bewahrt und wurde im 20. Und 21. Jahrhundert durch den Bau eines neuen Thermalzentrums, mit Ausblick über die Stadt, fortgeführt.

26. Františkovy Lázně und die Great Spa Towns of Europe

Luftbild der tschechischen Kurstadt Franzensbad Bild vergrößern
(c) Stadt Františkovy Lázně / www.frantiskovy-lazne.info Die planmäßig angelegte Kurstadt basiert auf den Prinzipien von Achsialität und Symmetrie.

Diese Woche widmet sich Isabelle Mühlstädt von der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung der Kurgeschichte der tschechischen Kurstadt Franzensbad und ihrem besonderen Beitrag zur Serie der elf Kurstädte.

Die böhmische Kurstadt Františkovy Lázně (ehem. Franzensbad) liegt in der Karlovy Vary Region (ehem. Elbogner Kreis) und ist gemeinsam mit Karlovy Vary und Mariánské Lázně Teil des böhmischen Bäderdreiecks. Františkovy Lázně wurde im 19. Jahrhundert als Ideal einer „neuen Kurstadt” errichtet. Sie entwickelte sich daher nicht organisch über die Jahrhunderte, wie Baden-Baden, sondern wurde gezielt angelegt.

Das Gebiet, auf dem Františkovy Lázně heute liegt, gehörte bis 1851 zur Stadt Eger (heute Cheb). Im 17. Jahrhundert begann man bereits mit dem Vertrieb des heilenden Wassers an europäische Fürstenhöfe. Zu dieser Zeit waren die Quellen nur von einigen „Seltzer Häusern“ umgeben. In den kommenden Jahrzehnten folgte eine erste Badherberge sowie eine Abfüllhaus. Um 1707 wies Eger eine Kapazität von 600 Badegästen auf. Dies stellte jedoch noch lange keine Konkurrenz für die belgische Kurstadt Spa dar, die zu dieser Zeit bereits florierte. 1791 beauftragte die Landesregierung den Baudirektor, Abbé Pater Tobias Gruber, mit der Ausarbeitung von Plänen für eine neue Kurstadt. Die Pläne dafür wurden 1793 genehmigt - dem Gründungsjahr von Františkovy Lázně.

Von Anfang an als mondäner Kurort konzipiert, wurde Františkovy Lázně zunächst Kaiser-Franzensbad, nach dem österreichischen Kaiser Franz II., benannt, im 19. Jahrhundert nur noch Franzensbad, parallel dazu ab 1918 offiziell auch Františkovy Lázně und nach 1945 nur noch Františkovy Lázně. Die Stadt profitierte von einer engen Beziehung zu Karlovy Vary (ehem. Karlsbad) - von wo aus Kurärzte, die das „stärkere“ Wasser des führenden westböhmischen Kurortes verschrieben und anschließend Patienten zur Nachbehandlung nach Františkovy Lázně schickten. Auf dem weit auseinanderliegenden Mineralquellenfeld mit 24 Quellen wurde ein orthogonales 300 Quadratmeter großes Raster gelegt. Das harmonische Stadtbild basiert auf den barocken Prinzipien von Achsialität und Symmetrie. Auffallend ist die bemerkenswerte Einheitlichkeit und Harmonie der Gebäude.

Die Kurstadt wird besonders durch ihre innere und äußere Kurlandschaft mit einem dreifachen grünen Ring aus Parkanlagen geprägt. In diesen befinden sich viele Quellen mit jeweils Brunnenhäusern und Pavillons, die durch lange ebene Wege miteinander verbunden sind und zum Flanieren einladen. Die umgebende Landschaft bietet weite Waldflächen und Moorland, wodurch Franzensbad als eine der ersten Kurstädte weltweit Moorbäder anbot. Diese konnten im Loimanns Badehaus, heute Luisenbad, einem klassizistischen Bad von 1840 oder im „Cartellieris Badehaus“ von 1860 genommen werden. Die gesamte Komposition eines großen Ovals für den Stadtgrundriss wurde von den Grundrissen des antiken, klassischen "Stadions" inspiriert. Aufgrund der Entdeckung von weiteren Quellen wurde die Kurstadt ab dem 1820ern weiter ausgebaut.

Nachdem Františkovy Lázně 1852 eine selbstständige Gemeinde wurde, wurde das Stadtgebiet abermals erweitert, um Parks um das Kurviertel herum anzulegen. 1865 folgte die Ernennung zur Kurstadt und zugleich der Anschluss der Stadt an die bayerische und sächsische Eisenbahn, was ihr zum Aufstieg zu einer internationalen Kurstadt verhalf. Ab den 1860er Jahren entstanden zudem neue Kurhäuser, ein Theater und Wohnhäuser sowie eine protestantische und eine orthodoxe Kirche sowie eine Synagoge. Die meisten der Parkgestaltungen und neuen Spazierwege wurden auf Initiative des Anpflanzungs- und Verschönerungsverein der Kurstadt Franzensbad (gegr. 1880) geschaffen. Bis 1911 pflanzte der Verein mehr als 600.000 Bäume, Sträucher und Zierpflanzen in unmittelbarer Nähe des Kurortes.

Beginnend mit Franz I. von Österreich, dem Gründervater der Stadt, waren im Verlauf des 19. Jahrhunderts die österreichischen Kaiser regelmäßige Gäste. 1909 traf Karl I., letzter Kaiser von Österreich sogar seine künftige Frau Zita in Františkovy Lázně. Weitere bemerkenswerte Besucher waren der österreichische Graf Klemens Wenzel Lothar von Metternich, Johann Wolfgang von Goethe, der Philosoph Johann Gottfried Herder sowie der Ludwig van Beethoven und Johann Strauss. Goethe reiste insgesamt 33 Mal durch Františkovy Lázně. Er verbrachte 1808 eine längere Zeit dort, als er an der geologischen Erforschung des erloschenen Vulkans Kammerbühl beteiligt war, über den er im selben Jahr einen wissenschaftlichen Text verfasste. Über seine Zeit in Františkovy Lázně schrieb er: „Für mich war es ein rechtes Glück, daß ich nach Franzensbrunn kam.“

Neben dem Adel und vielen Künstlern, war Františkovy Lázně insbesondere bei Frauen beliebt. In Folge der erfolgreichen Behandlung gynäkologischer Erkrankungen hatte die Kurstadt in ganz Mitteleuropa einen ausgezeichneten Ruf. Františkovy Lázně wurde so zu einem begehrten Ort für die weibliche Klientel, da die Damen nur dann allein reisen durften, wenn sie sich in ein Heilbad begaben, wodurch Franzensbad zu einem Ort weiblicher Emanzipation wurde und vielen Frauen neue Freiheiten bot.

Bis 1914 hat die Stadt die Ausprägung erreicht, in der man sie im Grunde heute noch vorfindet und gehört somit zu den besterhaltenen Kurstädten innerhalb der „Great Spa Towns of Europe“. Doch nicht nur deshalb gehört Františkovy Lázně noch heute zu den drei beliebtesten tschechischen Kurstädten. Die Stadt bietet noch immer historische, wie auch neuzeitliche Kuranwendungen sowie ein reiches kulturelles Angebot und wird deshalb von Touristen, wie auch Kurgästen sehr geschätzt.

27. Karlovy Vary und die Great Spa Towns of Europe

Die neoklassizistische Mühlenkolonnade Bild vergrößern
(c) Tourist Information Centre Karlovy Vary Die neoklassizistische Mühlenkolonnade wurde 1869 bis 1881 nach Plänen des Prager Architekten Josef Zítek erbaut.

Diese Woche widmet sich Isabelle Mühlstädt von der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung der Kurgeschichte der tschechischen Kurstadt Karlovy Vary und ihrem besonderen Beitrag zur Serie der elf Kurstädte.

Karlovy Vary (ehem. Karlsbad) liegt etwa 130 Kilometer westlich von Prag in einem bewaldeten versteckten Tal. Gemeinsam mit Frantiskovy Lázně und Marianske Lázně bildet Karlovy Vary das westböhmische Bäderdreieck und ist nach Bath die zweit größte Kurstadt Europas. Die Kurstadt befindet sich in einem engen tief eingeschnittenen Tal des Flusses Teplá, in dessen Umgebung mehr als 80 Quellen entspringen. Teplá bedeutet "warm", denn der Fluss wird durch zahlreiche Thermalquellen erwärmt und friert auch im strengsten Winter nicht zu.

Gegründet wurde dir Kurstadt durch den römisch-deutschen Kaiser Karl IV wahrscheinlich um 1358. Benannt nach seinem Gründervater, war Karlsbad seit dem späten 15. Jahrhundert über die böhmischen Grenzen hinweg als Kurort bekannt. Die Kur fand zu dieser Zeit entweder direkt an den Quellen, in ausgewiesenen Kureinrichtungen oder in privaten Holzbadewannen statt, die sich früher in fast jedem Haus im Erdgeschoss befanden. 1620 empfahl Dr. Johann Stephan Strobelberger erstmals die Trinkkur als medizinische Anwendung. In keiner anderen Kurstadt nahm die Trinkkur eine vergleichbare Bedeutung an. Noch heute bildet die Verschreibung des Heilwassers als Trinkkur die wichtigste Kurbehandlung in Karlovy Vary.

Dies wird deutlich in den zahlreichen Kolonnaden des 19. Jahrhunderts, wo die heißesten Quellen hochmineralisiertes kohlensäurehaltiges Wasser liefern, das seit Jahrhunderten täglich von Besuchern und Kurgästen genossen wird. Ein besonders Vermächtnis ist der Kurbecher mit seiner besonderen Trinköffnung, die speziell zur Kühlung des heißen Quellwassers vor dem Trinken entwickelt wurden und um die abgesetzten Mineralien vom Boden des Bechers besser trinken zu können.

Trotz der Zerstörungen durch Brände im 17. und 18. Jahrhundert wuchs die Stadt rasant an. Dabei erhielt sie ein ausgedehntes Kurviertel, welches deutlich vom Verwaltungs- und Geschäftsviertel der Stadt getrennt war. Sein zentraler Boulevard erstreckt sich über etwa zwei Kilometer – vom majestätischen Grandhotel Pupp am südlichen Ende, zum Elisabethbad am nördlichen Ende. Karlovy Vary erlebte ihr Goldenes Zeitalter ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Zahl der Kurgäste verdreifachte sich zu dieser Zeit durch den Anschluss an das europäische Eisenbahnnetz. Neue Hotels, Kurhäuser sowie Badehäuser und Sanatorien folgten dem wirtschaftlichen Aufschwung.

Auch architektonisch entwickelte sich Karlovy Vary weiter und zahlreiche exquisite Beispiele des Historismus und des Jugendstils entstanden. Unter den Architekten und Bauherren ragte das Schaffen zweier Wiener Architekten, Ferdinand Fellner und Hermann Helmer besonders hervor. Sie entwarfen für Karlovy Vary etwa zwanzig markante Bauwerke, einschließlich mehrerer Kolonnaden, wie die Parkkolonnade von 1884 und die Markt Kolonnade von 1883. Das Stadttheater wurde 1884 bis 1886 an der Stelle des ehemaligen klassizistischen Theaters errichtet. Der neobarocke Bau von Ferdinand Fellner und Hermann Helmer besitzt ein ganz besonderes Detail, denn die Wandmalereien und handbemalten Vorhänge stammen von den österreichischen Künstlern Gustav Klimt und Franz Matsch.

Bekannt als größter „Freiluftsalon Europas“, empfing Karlsbad fürstliche Familien, europäische Staatsoberhäupter, den Hochadel und prominente Künstler. Unter den Gästen befanden sich Mitglieder des österreichischen Kaiserhofes, darunter Fürst Klemens Wenzel Lothar von Metternich, österreichischer Kanzler, Otto von Bismarck sowie der russische Zar Peter der Große. Goethe nannte Karlovy Vary einst das Schachbrett Europas und spielte damals auf die politische Bedeutung des Ortes als Treffpunkt zahlreicher Machthaber an. Denn Goethe war nicht nur zahlreiche Male in Frantiskovy Lázně zu Besuch, sondern ebenso in Karlovy Vary. Insgesamt verbrachte er fast drei Jahre seines Lebens dort. Er pflegte zu sagen, dass Karlovy Vary der einzige Ort auf der Welt sei, an dem er bereit war, abseits von Weimar und Rom zu leben.

Heute präsentiert sich Karlovy Vary, als eine Stadt mit reichem kulturellem und natürlichem Erbe. Die historischen Kurgebäude sind weiterhin in Betrieb für balneologische Behandlungen und die Kurstadt besticht noch immer durch die Schönheit der umgebenden Kurlandschaft. In kaum einer anderen Kurstadt ist die Tradition so offenkundig zu bestaunen, wie in den schönen Kolonnaden, in denen Tausende von Tagesbesuchern mit den traditionell geformten Porzellanbechern flanieren.

28. Marianske Lázně und die Great Spa Towns of Europe

Die Kolonnade wurde 1888-1889 nach Entwürfen der Wiener Architekten Hans Miksch und Julian Niedzielski errichtet. Im Vordergrund ist der singende Brunnen.Bild vergrößern
(c) Lisa Poetschki Die Kolonnade wurde 1888-1889 nach Entwürfen der Wiener Architekten Hans Miksch und Julian Niedzielski errichtet. Im Vordergrund ist der singende Brunnen.

Diese Woche widmet sich Isabelle Mühlstädt von der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung der Kurgeschichte der tschechischen Kurstadt Marianske Lázně und ihrem besonderen Beitrag zur Serie der elf Kurstädte.

Die tschechische Kurstadt Marianske Lázně (ehem. Marienbad) ist die dritte Kurstadt innerhalb des „Westböhmischen Bäderdreiecks“. Marianske Lázně wurde im ausgehenden 18. Jahrhundert als mondäne Kurstadt konzipiert. Ihr zu Grunde liegendes Konzept war die „Kurstadt im Park“. Dies wird deutlich durch die Einbettung der Kurstadt in ein bewaldetes Tal sowie durch die zahlreichen innerstädtischen Parks. Die Kurstadt ist daher besonders in Harmonie mit der Natur vereint.

Über 40 Mineralquellen entspringen im Tal sowie weitere 160 säurehaltige Quellen, die sich in der Umgebung befinden. Das Gebiet mit ihren kalten salzigen Quellen ist bereits im sechzehnten Jahrhundert bekannt und befand sich im Besitz des Prämonstratenserklosters in Teplá. Um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert verbreitete sich die Bekanntheit der hiesigen Heilquellen nicht nur in Böhmen, sondern auch in Bayern und Sachsen. Mitte des 18. Jahrhunderts existierten das Tal und seine Quellen in völlig natürlichem Zustand. Es stand lediglich eine einfache Holzhütte mit zwei Kesseln zum Sammeln des Glaubersalzes der Quelle Křížový (Kreuz). 1786 veranlasste Abt Trautmannsdorf den Bau des ersten Badehauses an der Marienquelle mit dem Namen Marienbad. Dieser Name wurde 1808 zum offiziellen Namen des Ortes, als der Kurort eine Besucherkapazität von 80 Personen besaß. Das Jahr 1786 kann somit als der Beginn der Kurortsiedlung angesehen werden. 1800 wurde zudem eine Saline für die Herstellung von Glaubersalz errichtet. 1812 folgte die Ernennung zur Stadt und 1818 zum Kurort.

Die reichen Vorkommen an Mineralquellen boten den Ausgangspunkt für den Ausbau des neoklassizistischen Kurensembles und des zentralen Parks im frühen 19. Jahrhundert. Die Sichtachsen, die zwischen den einzelnen Kurgebäuden führen, waren sorgfältig durchdacht und verbanden die Einrichtungen miteinander. Die Quellen entspringen in einem breiten Streifen innerhalb der bewaldeten Berge, durch die sich weitverzweigte Wanderwege schlängeln, die der Erholung und dem Vergnügen der Kurgäste dienen. Der Kurpark wurde von Wenzel Skalnik gegründet, einem erfahrenen Gartenarchitekten, der später sogar Bürgermeister der Stadt wurde. Skalník begann 1817 mit der Umsetzung des Parks im Stil des Englischen Landschaftsgarten im breiteren Teil des Tals, der sich harmonisch ausbreitet und sich in den bewaldeten Hängen und Wiesen fortsetzt.

Seit den 1870er Jahren erlangte Marianske Lázně einen internationalen Ruf als Treffpunkt königlicher Familien und der Aristokratie, als Veranstaltungsort wichtiger internationaler politischer Verhandlungen, wissenschaftlicher Versammlungen, Unter den Gästen war der englische König Edward VII., der neunmal zu Besuch war und 1907 sagte: „Ich habe ganz Indien bereist, Ceylon, alle Kurorte in Europa, aber nirgendwo war ich von der Poesie der schönen Natur so gefesselt wie hier in Marienbad.“ Als Ort der Inspiration für Künstler, nahm die malerische Kurstadt auf einen bedeutenden Gast besonderen Einfluss. Der Komponist Richard Wagner führte über seinen Aufenthalt Tagebuch. Seine Erinnerungen an Marianske Lázně fanden sich später in seiner Autobiografie wieder. Zudem stehen seine Opern „Das Liebesverbot“, „Tannhäuser“, „Die Meistersinger von Nürnberg“ und „Lohengrin“ im Zusammenhang mit den Aufenthalten des Komponisten in Marianske Lázně. Weitere berühmte Gäste waren Johann Wolfgang von Goethe, Johann Strauss, Friedrich Nietzsche, Franz Kafka, Mark Twain, Thomas Alva Edison und Maxim Gorky.

Ab den 1880ern folgte ein Bauboom in Marianske Lázně und der Historismus wurde zum dominierend Architekturstil in Form zahlreicher Variationen von Neorenaissance bis Neobarock. Ein architektonisch bedeutendes Beispiel dieser Zeit ist das Alte Bad von 1892 im Neorenaissance Stil nach Plänen des Architekten Josef Schaffer, dessen Schaffen Marianske Lázně vielerorts prägte. Die Bäder und -kabinen des Alten Bads besitzen noch heute ihre ursprüngliche Innenausstattung mit barock anmutenden Portalen und Jugendstil-Keramikfliesen. Ebenso wie das 1882 von Friedrich Zickler erbaute Moorbad, das sich im Stil der französischen Renaissance präsentiert. Eine weitere Kolonnade aus Gusseisen und Stahl im Stil des Neobarocks wurde 1888-1889 nach Entwürfen der Wiener Architekten Hans Miksch und Julian Niedzielski errichtet. Sie ist bis heute die längste Kolonnade in einer Kurstadt.

Marianske Lázně ist bis heute eines der wichtigsten Zentren Europas für balneologische Therapien. „Gekurt“ wird noch heute in den historischen Kurgebäuden und ihrem erhaltenen Interieur und Ausstattung. Eine Tradition seit dem 19. Jahrhundert und bis heute Hauptereignis der Kursaison ist die Segnung der Quellen (Eröffnung der Kursaison), die Anfang Mai, traditionell am zweiten Maiwochenende, stattfindet und ein reichhaltiges Kulturprogramm beinhaltet.

29. Vichy und die Great Spa Towns of Europe

Luftbild VichyBild vergrößern
(c) Joël Damase Geprägt von Parks und Boulevards sollte Vichy Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem kosmopolitischen „kleinen Paris“ werden.

Diese Woche widmet sich Isabelle Mühlstädt von der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung der Kurgeschichte der französischen Kurstadt Vichy und ihrem besonderen Beitrag zur Serie der elf Kurstädte.

Vichy, die sogenannte „Königin der Kurstädte“, ist die renommierteste und bekannteste Kurstadt Frankreichs. Sie diente als Vorbild für Kurstädte in ganz Frankreich und sogar in seinen Kolonien. Die Kurstadt befindet sich auf einer Ebene am Fluss Allier. Der bis zu 200 Meter breite Fluss prägt das malerische Bild der Stadt, die sich entlang des Flusses ausbreitet.

Auch in Vichy waren die Quellen schon unter den Römern bekannt. Vermutlich siedelten sogar die Kelten an den 289 heißen und kalten Mineralquellen. Im 14. Jahrhundert wurde Vichy in das Haus der Bourbonen eingegliedert und 1527 gemeinsam mit anderen bourbonischen Besitztümern Eigentum des Königreichs Frankreich. Am Ende des 16. Jahrhunderts hatte die kurative Wirkung der Mineralquellen einen weit verbreiteten Ruf erlangt. Im Jahre 1605 schuf Heinrich IV. von Frankreich den Posten des Superintendanten der französischen Mineralquellen. Er hatte die Aufgabe, im Auftrag des Königs die Bäder und Brunnen zu kontrollieren und zu verwalten.

Berühmtester Kurgast des 17. Jahrhunderts war die französische Aristokratin Marquise de Sévigné, die sich 1676 und 1677 in Vichy aufhielt und deren Briefe die Behandlungen ihrer Kur und den damals eher kruden Lebensstil vor Ort detailliert beschreiben. Zu dieser Zeit bestand lediglich ein Etablissement, das Königshaus (erbaut um 1630), ausgestattet mit zwei Becken. In einem Brief an ihre Tochter schreibt sie: "Ich habe heute mit der Dusche angefangen; es ist eine ziemlich gute Wiederholung des Fegefeuers. Wir sind ganz nackt an einem kleinen Ort unter der Erde, wo wir ein Rohr mit diesem heißen Wasser finden, das eine Frau einem hinstellt, wo man will [...] Stellen Sie sich einen Wasserstrahl gegen eines meiner armen Körperteile vor, das heißeste, was Sie sich vorstellen können. [...] Aber wenn es in den Nacken geht, ist es eine Art von Feuer und Überraschung, die man nicht verstehen kann. Dies ist jedoch der springende Punkt. Man muss alles erleiden, und man erleidet alles, und man verbrennt sich nicht, und dann legt man sich in ein warmes Bett, wo man stark schwitzt, und das ist es, was heilt."

Dennoch wuchs die Beliebtheit Vichys bei der Aristokratie vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. 1785 wurden nach dem Besuch der Töchter König Ludwigs XV. ein Badehaus und eine Arkade mit den Quellen gebaut. 1812 wurde der Parc des Sources auf Wunsch von Napoleon Bonaparte angelegt und war der Grundstein und prägendes Element des künftigen Stadtgrundrisses. Doch den Aufstieg zur bedeutenden Kurstadt, ist Napoleon III. zu verdanken. Er ermutigte den Bau einer neuen Kurstadt. Vichy sollte zu einem kosmopolitischen „kleinen Paris“ werden, mit Parks und Boulevards, großen Badeeinrichtungen und Trinkhallen, verbunden durch überdachte Promenaden und mit einem Theater, einem Kasino sowie luxuriösen Hotels und Villen.

Die Pläne wurden 1856 vom staatlichen Architekten für Thermaleinrichtungen, Charles-Edouard Isabelle erstellt und 1861 durch kaiserlichen Erlass genehmigt. Der Plan umfasste zwei Hauptelemente: den Park entlang des Flusses und das "Patte d'oie", das vom Bahnhof zu den Bädern und Parks führt. Vichy verknüpfte dabei urbane Prinzipien aus Paris mit denen einer Kurstadt, wie beispielsweise die zentrale Bedeutung von Perspektiven und Achsen sowie die Proportionen der Gebäude und ihre Behandlung nicht als unabhängige Strukturen, sondern als Orte in einer einheitlichen Stadtlandschaft. Ein weiteres Prinzip galt der enormen Bedeutung von Grünflächen innerhalb der Stadt. Alle wichtigen Kurhäuser, Bäder, Trinkhallen, das Casino, Hotels und viele der Villen, konzentrieren sich im westlichen Teil des Dreiecks zwischen den Parks entlang des Flusses und dem Parc des Sources.

Ein weiterer Faktor, der zum Erfolg der Kurstadt beitrug, war die Ankunft des französischen Komponisten und Dirigenten Isaac Strauss in den 1840er, der, nachdem er in Aix-les-Bains gearbeitet hatte, die Organisation der Bälle in Vichy übernahm. Alle französischen Schriftsteller, Künstler und Freigeister besuchten Vichy, von Sartre bis Delacroix über Dumas, Cézanne, Flaubert und viele mehr. Ebenso Intellektuelle, Musiker, Schauspieler, die Damen des Demi-Monde, die als elegant auftretende, aber zwielichtige, anrüchige Gesellschaft galten und auch Schriftsteller aus dem Ausland, wie Tolstoi, Turgenev und Walter Scott suchten das Vergnügen in Vichy. Die Entwicklung des Sports für die Aristokratie und die Gründung von Vereinen ist typisch für die internationale Gesellschaft von Vichy und umfasst Reitsport, Tennis, Golf sowie Kanu- und Rudersport auf dem Fluss Allier. Ein weiterer gesellschaftlicher Sport, der den Frauen besonders Spaß machte, war das Taubenschießen, das ab den 1880er Jahren praktiziert wurde.

Im Jahr 1900 lancierte Vichy sein Markenimage als "Königin der Bäder" und begrüßte über 100.000 Besucher. Viele der Einrichtungen waren nicht auf die hohe Besucherzahl ausgelegt, was zu weiteren baulichen Neuerung in der Stadt führte, wie dem Bau des Theaters 1898 bis 1903 innerhalb des bestehenden Casinos. Das nach Plänen von Le Coeur und Woog entworfene Theater ist heute eines der besterhalten Art-Nouveaux Theater Frankreichs mit originalen Wandgemälden und Ornamenten. Die Trinkhalle, ist ein weiteres Beispiel des französischen Art Nouveaux und spiegelt das Streben der Stadt nach Modernität und Eleganz zur Jahrhundertwende wider. Sie fasst die Quellen Grande Grille und Chomel und ist durch überdachte Galerien mit dem Casino und Hotels verbunden.

Zwischen 1940 und 1944 war Vichy Sitz des französischen Staates. Doch Vichy knüpfte nach Kriegsende mit dem Abfüllen des Mineralwassers („reine des villes d’eaux“) - welches in großen Mengen weltweit exportiert wird - an seine erfolgreiche Zeit wieder an. Das Mineralwasser war außerdem die Grundlage für den Erfolg der später aufkommenden Kosmetikmarke Vichy, die zur führenden europäischen Marke für Gesichtspflege wurde. Vichy knüpft an seine kulturelle Tradition an und sorgt im Casino-Theater nach wie vor für eine brillante Opernsaison, bietet einen Kongresspalast und veranstaltet jährlich das Festival d'été, ein Sommerfestival, das musikalische Erbe der Stadt wiederaufleben lässt.

30. Montecatini Terme und die Great Spa Towns of Europe

Die Tettucio-Quelle in den Kolonnaden der Tetuccio Terme wird von einer Granitfassung, die wie eine Muschel geformt ist gefasst und von einer Bronzegruppe von Meeresfiguren getragen – ein Werk des florentinischen Bildhauers Sirio Tofanari (Anfang 20. Jahrhundert).Bild vergrößern
Foto: Studio Fotografico Rosellini Die Tettucio-Quelle in den Kolonnaden der Tetuccio Terme wird von einer Granitfassung, die wie eine Muschel geformt ist gefasst und von einer Bronzegruppe von Meeresfiguren getragen – ein Werk des florentinischen Bildhauers Sirio Tofanari (Anfang 20. Jahrhundert).

Diese Woche widmet sich Isabelle Mühlstädt von der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung der Kurgeschichte der italienischen Kurstadt Montecatini Terme und ihrem besonderen Beitrag zur Serie der elf Kurstädte.

Montecatini Terme ist die berühmteste Kurstadt Italiens, einem Land, das so reich an Thermalquellen ist. Sie wird auch der „Kurgarten Europas“ genannt und ist ein eindrückliches Beispiel für die Integration und Einheit zwischen städtischer Siedlung und Landschaft, eingebettet in ein Netz von Thermalquellen. Die toskanische Kurstadt liegt in der Provinz Pistoia und ist darüber hinaus ein außergewöhnliches Zeugnis der letzten großen Blüte der europäischen Kurtradition im frühen 20. Jahrhundert. Antike Votivstatuen zeugen von den Römern, die als erstes die heilende Wirkung der Mineralquellen in Montecatini Terme für sich nutzten. Die frühste schriftliche Erwähnung des Kurortes stammt aus dem Jahr 1201, als die Quellen in einem Pergament aus Lucca erwähnt wurden. In einem weiteren Dokument aus dem Jahr 1370 wird bereits auf die Salzgewinnung aus dem Mineralwasser für den Lebensmittelgebrauch hingewiesen.

Die heutige Stadtstruktur entwickelte sich aus dem Stadtkern des 18. Jahrhunderts, zur Zeit Großherzogs Peter Leopold von Lothringen. Zu den stadtprägenden Elementen gehörte die von Bäumen gesäumte Tettuccio-Allee, heute Viale Verdi, eine Promenade, die die Kurgebäude miteinander verband sowie die wichtige Blickachse in Richtung des antiken Hügeldorfes Montecatini Castello, welches 1898 mit der Standseilbahn erschlossen wurde. Die Tettuccio-Allee verband die Thermen Leopoldine von 1780 und Tettuccio von 1781. Die Tettuccio Therme bildete dabei den architektonischen Hintergrund, der den Hügel mit Montecatini Castello auf der Spitze einrahmt. Weitere Gebäude dieser Zeit waren die Rinfresco Therme sowie die Palazzina Regia, die 1782 als Sommerresidenz der Familie Habsburg-Lorena erbaut wurde.

In einem großangelegten Erneuerungsprojekt wandelte sich die Garten-Kurstadt des späten 18. Jahrhunderts in eine Landschafts-Kurstadt. Das Stadtgebiet von Montecatini Terme umfasste im 19. Jahrhundert mehr als 460.000 Quadratmeter gestaltete Grünflächen, die harmonisch in die umgebende Landschaft flossen. Das grüne Herz der Stadt bildete der große Kurpark mit seinen weitläufigen Wasserflächen, dekorativen Mosaiken, Spazierwegen sowie Sport-, Vergnügungs- und Gesundheitsbereichen. Die Grünflächen besaßen nicht nur eine gestalterische Funktion, sondern waren zentraler Teil der Kur.

Die monumentale Kurarchitektur, welche sich auf die vier Quellen Tettuccio, Regina, Leopoldina und Rinfresco konzentriert, liegt verteilt in einer Oase von Gärten, Parklandschaften und Promenaden. Der grüne Charakter setzt sich fort in einem breiten Streifen aus Kiefern und terrassierten Olivenhainen, die sich gemeinsam mit der Seilbahn die steile Bergseite hinaufziehen und vom historischen Dorf Montecatini Alto bekrönt werden. Dieses bildet den zentralen Blickpunkt der Viale Verdi, der Prachtstraße und Hauptachse der modernen Kurstadt. Die Kurgäste erreichten die rund 260 Meter höher gelegene Altstadt entweder über einen steilen Wanderweg oder mit der Standseilbahn. Das Bergdorf, war das beliebteste Ausflugsziel der Kurgäste und bot die Möglichkeit frische "Bergluft" zu schnuppern, in den Restaurants rund um den Piazza Giusti zu speisen und den mittelalterlichen Turm oder den Palazzo del Podestà zu besichtigen und von dort den Panoramablick zu genießen.

Zu Beginn des 20.Jahrhunderts erreichte Montecatini Terme seinen Höhepunkt mit der Realisierung des neuen Kurhauses, dem Theater Excelsior, der Sporteinrichtung La Torretta und zahlreichen Jugendstil-Villen und Hotels. Die letzte große Bauphase wurde insbesondere durch das ambitionierte Projekt zur Renovierung und Umgestaltung der Bäder durch Ugo Giovannozzi geprägt. Für die Modernisierung der Tettuccio Therme 1928 ließ er sich von der italienischen Renaissance und den antiken Thermen inspirieren. Ebenso die Therme Leopoldine und die Palazzina Regia wurde durch Giovannozzi renoviert und in diesem Zuge entstand 1927 auch die neue Regina Therme im Tettuccio Park.

Montecatini Terme zog bedeutende Intellektuelle und Künstler an, wie Giacomo Puccini und Ruggero Leoncavallo. Giuseppe Verdi hielt sich von 1875 bis zu seinem Tod im Jahr 1901 regelmäßig in der italienischen Kurstadt auf. Der Chefarzt der Terme di Montecatini, Pietro Grocco, war sein Leibarzt. Nach der Komposition der "Aida" verbrachte Giuseppe Verdi zehn Jahre ohne ein neues Werk zu komponieren. Erst als er 1882 nach Montecatini Terme kam, begann er angeblich wieder zu arbeiten und schuf einen Teil der Oper Otello. Laut Verdi war Montecatini Terme ein so angenehmer und „antidepressiver Ort“, sodass er ihn die nächsten 18 Sommer lang immer wieder besuchte. In Montecatini Terme komponierte er zudem auch einen Teil der Oper Falstaff.

Im 20. Jahrhundert waren es vor allem Schauspieler die zu den berühmten Gästen gehörten, wie Clark Gable, Audrey Hepburn, Orson Welles und William Holden; aber auch der Schriftsteller Truman Capote; die Künstler René Magritte und Paul Cezanne sowie Fürst Rainier von Monaco mit seiner Frau Grace Kelly, Mohammad Reza Pahlavi, die Herzöge von Windsor und der König von Schweden waren zu Gast. Montecatini Terme dient fortwährend als Zentrum balneologischer Behandlungen. Neben der langen Tradition der Hydrotherapie, sind die Thermalbäder in Montecatini Terme auch für Massagen, Physiotherapie, Schlammbäder, ozonisierte Bäder, Schönheitsbehandlungen und Inhalationen bekannt. Als „Great Spa Towns of Europe“ hat Montecatini Terme in außergewöhnlicher Weise die Architektur und Atmosphäre des beginnenden 20. Jahrhunderts bewahrt und zugleich sensibel ihr Erbe fortentwickelt.

31. Bath und die Great Spa Towns of Europe

Luftaufnahme der Stadt Bath.Bild vergrößern
Foto: Bath and North East Somerset Council Bath ist berühmt für ihre außergewöhnliche georgianische Stadtplanung, palladianischen Architekturensembles sowie runden und halbmondförmigen Plätzen. Allen voran der Royal Crescent von 1767 bis 1774 von John Wood dem Jüngeren (unten links).

Diese Woche widmet sich Isabelle Mühlstädt von der Stabsstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung der Kurgeschichte der britischen Kurstadt Bath und ihrem besonderen Beitrag zur Serie der elf Kurstädte.

Bath gilt als eine der frühesten und einflussreichsten Kurstädte innerhalb der Serie der Great Spa Towns of Europe und bildet einen wichtigen Bestandteil, um die Entwicklung des europäischen Kurphänomens zu verstehen. Bath ist als einzige Stadt der Great Spa Towns of Europe bereits seit 1987 auf der UNESCO Welterbeliste. Grund sind die außergewöhnlichen archäologischen Überreste der Römerzeit sowie die Architektur des 18. Jahrhunderts. Obwohl die Rolle der Stadt als Kurstadt damals am Rande gewürdigt wurde, wurden die Bedeutung und Werte der Kurstadt erst innerhalb der Nominierung der Great Spa Towns of Europe erkannt.

Die heißen Quellen waren den Römern heilig und initiierten im 1. Jahrhundert n. Chr. eine kontinuierliche Tradition der Heilung in Bath. Das römische Bäder-Ensemble rund um die drei heißen Quellen im Zentrum der Stadt ist die Keimzelle der Kurstadt und gilt als besterhaltene römische Badeanlage Nordeuropas. Die Quellen wurden von den Mauern der römischen Hauptsiedlung umschlossen. Diese Mauern begrenzten für fast 1500 Jahre die Stadt durch das Mittelalter bis ins Jahr 1707, als die Mauer mit dem Bau der Trim Street abgebrochen wurden.

Die Bäder wurden 350 Jahre lang von den Römern verwaltet, wechselten dann 800 Jahre lang in den Besitz eines Benediktinerklosters und gingen nach der Reformation im 16. Jahrhundert an die Stadtverwaltung über. Aus der mittelalterlichen befestigten Stadt erblühte im 18. Jahrhundert eine bedeutende georgianische Kurstadt, die regelmäßig von Mitgliedern des Königshauses und dem Hochadel besucht wurde. Die Kurstadt ist berühmt für ihre außergewöhnliche georgianische Stadtplanung, palladianische Architekturensembles und halbmondförmigen Plätze.

Insbesondere der Architekt John Wood prägte das Stadtbild des 18. Jahrhunderts. Er studierte die Bauten Andrea Palladios, des berühmten Architekten der italienischen Renaissance und übertrug dessen Prinzipien auf Bath. Allen voran der Royal Crescent von 1767 bis 1775, dem wohl bekanntesten Platz in Bath. Die riesige Ausdehnung des halbmondförmigen Platzes bildet einen prächtigen Höhepunkt in der Raumfolge, die vom Queen Square ausgeht. Die Straße und der breite Bürgersteig im vorderen Bereich des Halbmondes wurden zum Flanieren mit Blick auf die darunterliegende Freifläche und über den Fluss bis zum jenseits gelegenen Beechen Cliff entworfen.

Es wurde berichtet, dass über tausend Menschen gleichzeitig vor dem Royal Crescent flanieren können. Wood errichte zudem den Queens Square, die North und South Parade, den „Circus“, sowie die Assembly Hall und war somit maßgeblich für den Stadtgrundriss und die Erscheinung der heutigen Stadt verantwortlich.

Die Modernisierungen machten Bath zu einer Stadt, die sich der Freizeit, dem Vergnügen und der Mode widmete. Ein typischer Tag eines Kurgastes begann mit dem Gebet in der Abteikirche, danach war die große Trinkhalle der Mittelpunkt der mondänen Gesellschaft, um sich zu treffen und das Wasser zu nehmen. Es folgte ein gemeinsames Frühstück in den ersten Versammlungsräumen, gefolgt von einem Spaziergang in den dazugehörigen Vergnügungsparks. Ab 1740 wurde das Flanieren auf der North und South Parade zu einem wesentlichen Bestandteil des Tagesablaufs und später das Spazierengehen entlang der neuen architektonischen Ensembles des Queen Square, des Circus und des Royal Crescent.

Ärzte ermutigten zum Spazierengehen oder Reiten in der Natur und zum Beispiel entlang des Beechen Cliffs, das eine attraktive Aussicht über die Stadt bot. Am Abend besuchte man Bälle oder widmete sich dem Glücksspiel, die in der Guildhall und den drei Versammlungsräumen angeboten wurden, von denen der Assembly Room erhalten blieb. In den Versammlungsräumen, der Guildhall, den Theatern und Kirchen wurden zudem Konzerte und Liederabende veranstaltet.

Der Freizeit, dem Vergnügen und der Modernität verpflichtet, kontrollierten die sogenannten „Zeremonienmeister“ das gesellschaftliche Miteinander. Richard "Beau" Nash wurde 1706 in diese Rolle berufen und überwachte das Verhalten der Gesellschaft in der Trinkhalle und bei Versammlungen bis zu seinem Tod 1761. Er entwarf die "Rules of Bath", ein Verhaltenskodex, der von der Gesellschaft eingehalten werden sollte. Seine Regeln wurden mit der Zeit in anderen Kurstädten übernommen und trugen zur Entwicklung einer höflichen Gesellschaft und zur Verringerung der Kluft zwischen der Aristokratie und der wachsenden Mittelschicht bei. Nash stellte zudem sicher, dass heiratsfähige Mädchen und Frauen bei den Bällen an erster Stelle standen, wodurch Bath zu einem bekannten "Heiratsmarkt" avancierte.

Bath war aber nicht nur ein Ort der Zerstreuung. Menschen aller Gesellschaftsschichten suchten seit jeher nach Heilung in der Stadt, wovon die Krankenhäuser des Mittelalters zeugen. 1738 gründete Nash zusammen mit anderen Geldgebern ein großangelegtes Krankenhaus. Das Mineral Water Hospital, wurde von John Wood entworfen und diente dazu, mittellose Kranke zu behandeln, die zur Kur in die Stadt kamen. Bath setzt seine Funktion als lebendige Kurstadt fort, mit historischen und neuzeitlichen Kurbehandlungen im Thermae Bath Spa, mit dem renovierten „Hotbath“ und Cross Bath, sowie dem nahe gelegenen Gainsborough Spa Hotel. Das Heilwasser wird noch immer in der Trinkhalle getrunken, die nach wie vor Heimat des am längsten bestehenden Musikensemble der westlichen Welt, dem Pump Room Trio, ist. Das Royal Mineral Water Hospital wird ebenfalls weiterhin als Krankenhaus genutzt.

32. Die Europäischen Kurbäder auf dem Weg zum Welterbe: Es bleibt spannend!

Blick vom Paradies auf die Altstadt. Über der Stiftskirche ist der Welterberahmen mit Slogan "Auf dem Weg zum Welterbe; Baden-Baden, Teil der gemeinsamen transnationalen UNESCO Welterbebewerbung "Great Spas of Europe"Bild vergrößern
(c) Nathalie Dautel Auf dem Weg zum Welterbe - im Sommer fällt die Entscheidung.

Abschließend blicken Katrin Schütz, Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, und Margret Mergen, Oberbürgermeisterin von Baden-Baden, auf die Inhalte der Artikelserie zurück und geben einen Ausblick auf die nächsten Schritte auf dem Weg zum Welterbe:

„Im Juni vergangenen Jahres haben wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, auf eine literarische Entdeckungsreise in die „Great Spa Towns of Europe“ eingeladen. Unsere gemeinsame Welterbe-Artikelserie gab Einblicke in die Komplexität einer grenzüberschreitenden seriellen Welterbenominierung wie auch in die lange und spannende Geschichte des Kurwesens in Baden-Baden. In den 31 Artikeln von 15 Autorinnen und Autoren standen die charakteristische Atmosphäre Baden-Badens, die kulturelle Vielfalt der historischen Kurstadt und ihre internationalen Bezüge im Fokus. Angefangen bei den Römern, über das mittelalterliche Badewesen, den Anfängen der Kurstadt und dem goldenen Zeitalter Baden-Badens als „Sommerhauptstadt Europas“ wurde ein großer Bogen gespannt bis zum Bewerbungsprozess als UNESCO-Welterbe und zum Management der potentiellen Welterbestätte. Auch unsere zehn Partnerstädte auf dem Weg zum Welterbe durften in der Artikelserie nicht fehlen. Ihre Geschichte und ihre Besonderheiten wurden einzeln vorgestellt.

Es ist uns ein großes Anliegen, Sie, liebe Leserinnen und Leser, von Beginn des Nominierungsprozesses an auf diese spannende Reise mitzunehmen und die Bedeutung Baden-Badens im Kontext der bedeutenden europäischen Bäderstädte in die Welt zu tragen. Wir sind überzeugt, dass unser gemeinsames kulturelle Erbe der elf nominierten Kurstädte eine herausragende Bedeutung in Bezug auf ihre städtebauliche Entwicklung, die thematische Ausrichtung auf das Wohlbefinden, die Gesundheit in Verbindung mit Kultur hat und als Orte des Zusammentreffens und der Kommunikation Wegbereiter einer gesellschaftlichen Internationalisierung sind. Noch heute leisten die Kurstädte einen fortwährenden Beitrag zur europäischen Kultur als aktive Orte der Muße und der Heilung für Körper, Geist und Seele. Wir hoffen, dass die Artikelserie dazu beitragen konnte, Baden-Baden aus einer neuen Perspektive zu betrachten und würden uns freuen, wenn Sie beim nächsten Spaziergang die Stadt vielleicht sogar ganz neu erleben. Aus diesem Grund werden wir zeitnah alle Artikel nochmal zum Nachlesen gesammelt in einer Broschüre veröffentlichen.

Die Pandemie-bedingten Reisebeschränkungen erschwerten für uns alle im vergangen Jahr die persönlichen Kontakte zu unseren europäischen Nachbarn. Gerade in diesen Zeiten erscheint es uns besonders wichtig, dass sich Europa seine gemeinsamen kulturellen Wurzeln und Werte und die damit einhergehende gemeinsame Verantwortung bewusstmacht. Die Great Spa Towns of Europe sind ein Paradebeispiel für die erfolgreiche transnationale Zusammenarbeit und geteilte Verantwortung. Auch während der Pandemie ging unsere transnationale Kooperation unbeirrt weiter: die Zusammenarbeit, der rege Austausch und die gegenseitige Unterstützung brachen nie ab. Auch auf Ebene von Stadt und Land schritten die Bemühungen um den Schutz, die Pflege und die Vermittlung des außergewöhnlichen universellen Wertes der nominierten Stätte weiter voran.

Wir blicken nun gemeinsam mit den Great Spa Towns of Europe hoffnungsvoll auf das Jahr 2021, in dem voraussichtlich über den Antrag der Great Spa Towns of Europe durch das UNESCO-Welterbekomitee entschieden werden wird. Denn auch auf die Welterbebestrebungen von Baden-Baden hat die Pandemie Einfluss genommen. Die geplante 44. Sitzung des Welterbekomitees im Jahr 2020, in der der Antrag der Great Spa Towns of Europe hätte behandelt werden sollen, musste letztlich verschoben werden. Wir erwarten gemeinsam mit den übrigen zehn Städten nun voller Spannung die nächste Sitzung des Welterbekomitees und würden uns sehr freuen, wenn es dieses Jahr klappen würde. Drücken Sie uns die Daumen!“